Die Reichweite von Elektroautos

Ein­wand “Die Reich­wei­te von Elek­tro­au­tos ist nicht praxistauglich/Die Lade­infra­struk­tur unzureichend/Die Lade­dau­er zu lang”

Der mit Abstand häu­figs­te Ein­wand gegen Elek­tro­au­tos lau­tet, die­se hät­ten eine unzu­rei­chen­de Reich­wei­te, so dass sie allen­falls als Zweit­au­to, als Stadt­au­to oder als Spaß­flit­zer für Rei­che in Fra­ge kämen.

Um her­aus­zu­fin­den, ob die­se sprich­wört­li­che “Reich­wei­ten­angst” begrün­det ist, benö­ti­gen wir ver­schie­de­ne Infor­ma­tio­nen. Die wich­tigs­ten Fra­gen sind: I) Wie­vie­le Kilo­me­ter wird ein Auto in Deutsch­land am Tag gefah­ren? II) Wie groß ist die Reich­wei­te von aktu­el­len Elek­tro­au­tos? III) Wie ist es in Deutsch­land um die Lade­infra­struk­tur bestellt?

Anschlie­ßend ermit­teln wir in einer Pra­xis­ana­ly­se, wie weit man mit den gän­gigs­ten Elek­tro­au­tos mit 1–2 “Tank­stopps” kommt und wie viel Zeit man bei einer sol­chen Fahrt im Ver­gleich zu einem Auto mit Ver­bren­nungs­mo­tor ver­liert. Zum Schluss unter­su­chen wir dann, wie die deut­schen Her­stel­ler bei die­sen ent­schei­den­den Kri­te­ri­en im Ver­gleich zur aus­län­di­schen Kon­kur­renz auf­ge­stellt sind.

I) Täg­li­che Fahr­stre­cke von Autos in Deutschland

Nach Anga­ben des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amts lag die durch­schnitt­li­che mit Pkw in Deutsch­land zurück­ge­leg­te Weg­stre­cke im Jahr 2010 bei 16 km.1 Und aus einer Stu­die von 2007 geht her­vor, dass mit einem typi­schen deut­schen Pkw an 80% der Tage eines Jah­res weni­ger als 40 km gefah­ren wird; die­se Stre­cken mach­ten mehr als die Hälf­te der jähr­li­chen Fahr­leis­tung aus.2

Die aller­meis­ten Fahr­ten und ein Groß­teil der gesam­ten Fahrt­stre­cke eines Pkw wer­den also auf kur­zen Stre­cken und wohl oft­mals im Stadt­ver­kehr zurück­ge­legt: Ein­käu­fe im Super­markt, Shop­ping-Tou­ren in der City, Kin­der­trans­por­te zur Schu­le, zu Freun­den oder außer­schu­li­schen Akti­vi­tä­ten, Kino- und Kon­zert­be­su­che in der Stadt: Für all die­se Fahr­ten ist die Reich­wei­te eines aktu­el­len Elek­tro­au­tos in vie­len Fäl­len wohl für eine hal­be oder gan­ze Woche ausreichend.

Eben­falls auf­schluss­reich in die­sem Zusam­men­hang sind die Sta­tis­ti­ken zur Pend­ler­pau­scha­le:3

pendler_entfernung
Abb. 2

Über 95% der deut­schen Berufs­pend­ler kom­men also auf eine täg­li­che Pen­del­stre­cke von weni­ger als 100 km.

II) Wie groß ist die Reich­wei­te von aktu­el­len Elektroautos?

Hier ein Über­blick über die wich­tigs­ten aktu­el­len und künf­ti­gen Elektroautos:

Kategorie/ Zeit­raum Modell Preis
abzüg­lich der Elek­tro­au­to- prä­mie von 4.000 EUR
Ver­kauft gesamt Reich­wei­te NEFZ

Rea­le Reich­wei­te  nach EPA-Anga­ben45

1.

Gene­ra­ti­on ab 2010

Nis­san Leaf ab 2010 ab 34.000 EUR >250.000 175 km 117 km
Renault ZOE

ab 12/2012

ab 22.000 EUR +Bat­te­rie­mie­te >50.000 240 km geschätzt 160 km6
BMW i3

ab 2013

ab 35.000 EUR >50.000 190 km 130 km7
2.

Gene­ra­ti­on ab 2015

Nis­san Leaf

seit Som­mer 2015

ab 34.000 EUR >250.000 beim 30-kWh-Modell 250 km 172 km (+47% ggü Vormodell)
BMW i3

seit Juli 2016

ab 36.000 EUR >50.000 300 km 183 km8 (+41% ggü Vormodell)
Renault ZOE

seit Herbst 2016

ab 32.000 EUR >50.000 400 km geschätzt 260 km9
(künf­ti­ge) Neuheiten Che­vro­let Bolt  = Opel Ampera‑e ab 35.000 EUR in Euro­pa ab Juni 2017 (in gerin­ger Stück­zahl)10 520 km 383 km

(+109% ggü neu­em i3)

Tes­la Model 3 vor­auss. ab 40.000 EUR in den USA ab Juli 201711 vor­aus­sicht­lich

> 450 km

mind. 346 km

(+89% ggü neu­em i3)

Ober­klas­se seit 2012 Tes­la Model S ab 77.000 EUR ~150.000 je nach Modell 410 bis 650 km je nach Modell 345 bis 540 km

Somit boten schon die erschwing­li­chen Elek­tro­au­tos der ers­ten Gene­ra­ti­on, die ab 2010 (Leaf) bzw. 2013 (i3) erhält­lich waren bzw. sind, eine Reich­wei­te, mit der über 95% der Berufs­pend­ler aus­ge­kom­men wären — und auch für pri­va­te Zwe­cke wird an nur weni­gen Tagen im Jahr eine grö­ße­re Reich­wei­te benötigt. 

Die zwei­te Gene­ra­ti­on die­ser Stro­mer bie­tet mit real rund 180 km (Leaf und i3) bzw. sogar 260 km (ZOE) nun eine Reich­wei­te, bei der auch außer­ge­wöhn­li­che Tages­aus­flü­ge, etwa zu einem Kon­zert in der nächs­ten grö­ße­ren Stadt, zu einem Frei­zeit­park oder zum nächs­ten grö­ße­ren Zoo, beden­ken­los mit dem Stro­mer gemacht wer­den kön­nen, ohne dass unter­wegs eine Lade­sta­ti­on auf­ge­sucht wer­den müsste. 

Und für 2017 ste­hen bereits zwei neue Kon­kur­renz­mo­del­le in den Start­lö­chern, die auf eine rea­le Reich­wei­te von deut­lich über 300 km kom­men werden.

Wer mit der rechts in der Tabel­le ange­ge­be­nen rea­len Reich­wei­te aus­nahms­wei­se ein­mal nicht aus­kommt, hat meh­re­re Mög­lich­kei­ten: a) strom­spa­rend fah­ren, b) nach­la­den oder c) einen Miet­wa­gen nehmen.

a) Durch zurück­hal­ten­de Fahr­wei­se (bzw. Wahl eines ent­spre­chen­den ener­gie­spa­ren­den Fahr­mo­dus) lässt sich im Real­be­trieb — etwa bei einer Rei­se­ge­schwin­dig­keit von rund 100 km/h auf der Auto­bahn — die EPA-Norm­reich­wei­te teil­wei­se deut­lich über­tref­fen. Dass man dabei sehr viel ent­spann­ter ans Ziel kommt, hat ein Jour­na­list im Selbst­ver­such festgestellt: 

Es ist ein Rei­sen wie aus einer ande­ren Zeit […]. Gemäch­lich und, hat man sei­ne Gefüh­le erst mal im Griff, ent­span­nend.12

b) Wenn das nicht aus­reicht, weil man tat­säch­lich ein­mal mehr als 200 oder gar 300 km am Stück fah­ren muss, kann man unter­wegs an einer der mitt­ler­wei­le knapp 7000 öffent­li­chen Lade­sta­tio­nen13 in Deutsch­land Strom nachtanken.

Bei einer Lade­leis­tung von bis zu 50 kW (Leaf und i3) bzw. 43 kW (ZOE) dau­ert das Laden der bis­lang erhält­li­chen erschwing­li­chen Elektroautos 

  • beim Leaf mit 30-kWh-Akku knapp 30 min. für eine EPA-Reich­wei­te von 138 km;
  • beim i3 mit 33-kWh-Akku 30 min. für eine EPA-Reich­wei­te von 139 km;
  • beim ZOE mit 41-kWh-Akku 30 min. für eine EPA-Reich­wei­te von 136 km

Nähe­re Anga­ben zur Lade­infra­struk­tur in Deutsch­land fol­gen in Abschnitt III.

c) Wenn auch das ein­mal nicht in Fra­ge kommt und die geplan­te Lang­stre­cke sich nicht eben­so gut oder gar bes­ser mit dem Zug oder Flug­zeug zurück­le­gen lässt, dann kann man in die­ser Aus­nah­me­si­tua­ti­on auf einen Miet­wa­gen zurück­grei­fen. Dazu bie­ten vie­le Auto­her­stel­ler den Käu­fern von Elek­tro­au­tos die Mög­lich­keit, bei­spiels­wei­se für lan­ge Urlaubs­fahr­ten kos­ten­los (Renault14 und Volks­wa­gen15) bzw. ver­güns­tigt (BMW16 und Nis­san17) einen Miet­wa­gen zu neh­men. Aber auch (poten­zi­el­le) Elek­tro­au­to­fah­rer, die die­se Mög­lich­keit nicht (mehr) haben, soll­ten sich ein­mal über die Miet­wa­gen­prei­se in Deutsch­land infor­mie­ren: Einen opti­mal fami­li­en­fe­ri­en­taug­li­chen Mit­tel­klas­se­kom­bi-Miet­wa­gen gibt selbst in der Haupt­fe­ri­en­zeit schon für gut 200 EUR pro Woche18 (ohne Selbst­be­tei­li­gung). Somit könn­te es sich für vie­le Auto­fah­rer in Deutsch­land loh­nen, im All­tag ein Elek­tro­au­to zu fah­ren und bei tat­säch­li­chem Bedarf auf einen Miet­wa­gen zurück­zu­grei­fen. Denn in Anbe­tracht der höhe­ren Betriebs- und Unter­halts­kos­ten von Ver­bren­nern (sie­he den Preis-Arti­kel) hät­te man die Miet­kos­ten schnell wie­der raus, wenn man bedenkt, dass man dafür im Rest des Jah­res (bei 2 Wochen Ver­bren­ner-Mie­te also 50 Wochen im Jahr) mit einem Elek­tro­au­to viel güns­ti­ger fah­ren kann.

Zu gerin­ge Reich­wei­te, zu wenig Lade­säu­len […]. Es sind stets die glei­chen Beden­ken, die ich bei Dis­kus­sio­nen zum The­ma Elek­tro­au­to zu hören bekom­me. […] Aber kann ich ande­res erwar­ten, am Beginn einer neu­en Art von Mobi­li­tät? War es vor 130 Jah­ren nicht ähn­lich, als Ber­tha Benz ihre ers­te Tour unter­nahm und den Sprit noch in der Apo­the­ke kau­fen muss­te?“19

III. Lade­infra­struk­tur:

Bevor wir auf die Lade­infra­struk­tur in Deutsch­land ein­ge­hen, ist anzu­mer­ken, dass deren Bedeu­tung von den meis­ten Besit­zern her­kömm­li­cher Autos über­schätzt wird. Denn bei Elek­tro­au­tos funk­tio­niert das klas­si­sche Bild vom Tan­ken nicht mehr, weil Elek­tro­au­tos im All­tag in aller Regel am Start- oder Ziel­ort auf­ge­la­den wer­den, z. B. zu Hau­se oder am Arbeitsplatz. 

Mit einem Elek­tro­au­to muss man näm­lich im All­tags­ge­brauch prak­tisch nie “zum Tan­ken fah­ren”, da die Reich­wei­te vie­ler bereits heu­te ver­füg­ba­rer Stro­mer für die aller­meis­ten All­tags­zwe­cke aus­reicht. Neue Elek­tro­au­to­be­sit­zer müs­sen somit zunächst ein­mal umden­ken, wie Tes­la-CEO Elon Musk sehr anschau­lich erläu­tert hat20:

Die Leu­te sind es seit jeher gewohnt, zu einer Tank­stel­le zu fah­ren, um zu tan­ken, das macht man ein­fach so. […] Sie fah­ren also [zum Strom­tan­ken], weil sie es immer so gemacht haben. Idea­ler­wei­se soll­te man sein Elek­tro­au­to aber da laden, wo man auch sein Han­dy auf­lädt. Oder wür­den Sie Ihr Han­dy viel­leicht an einer Tank­stel­le aufladen?”

Im All­tag kom­men die aller­meis­ten Elek­tro­au­to­fah­rer also mit einer Steck­do­se zu Hau­se oder am Arbeits­platz aus. Wenn man aber tat­säch­lich aus­nahms­wei­se ein­mal eine län­ge­re Stre­cke mit dem Auto fah­ren muss, ste­hen einem in Deutsch­land zahl­rei­che öffent­li­che Lade­sta­tio­nen zur Ver­fü­gung. Deutsch­land­weit gibt es Stand Mai 2017 rund 8.500 öffent­li­che Lade­sta­tio­nen mit knapp 25.000 Lade­punk­ten mit einer Leis­tung von bis zu 50 kW 21.

Abb. 3: Das Strom­tank­stel­len-Netz in Deutsch­land, Stand Anfang 2017.

Etwa die Hälf­te davon sind Wech­sel­strom­tank­stel­len (AC) vom Typ 2 mit 11 kW (2000 Lade­punk­te) oder 22 kW (gut 6.000 Lade­punk­te). Schnel­les Gleich­strom­tan­ken (DC) gibt es über CCS  (rund 500 Lade­punk­te an 400 Stand­or­ten), Cha­de­mo (gut 300 Lade­punk­te an gut 300 Stand­or­ten) und Tes­la-Super­char­ger (rund 60 Sta­tio­nen22 mit rund 400 Lade­punk­ten an 60 Stand­or­ten) (Stand: Mai 2017).23 Wem die Zahl der Schnell­la­de­sta­tio­nen gering vor­kommt, der wird bei genaue­rem Hin­se­hen (Her­an­zoo­men unter goingelectric.de oder chargemap.com für Typ 2 oder Com­bo 2 bzw. unter https://www.tesla.com/de_DE/supercharger für Tes­la-Super­char­ger) fest­stel­len, dass man bei­spiels­wei­se selbst bei den ledig­lich rund 60 Tes­la-Lade­sta­tio­nen fast nir­gend­wo in Deutsch­land mehr als 50 km von der nächs­ten Lade­säu­le ent­fernt ist.

Die im April 2016 von der Bun­des­re­gie­rung beschlos­se­ne För­de­rung (300 Mio. EUR 2017 bis 2020) soll dar­über hin­aus für die Ein­rich­tung von bis zu 15.000 wei­te­ren Lade­punk­ten sor­gen.24

Wenn man es nicht eilig hat, kann man als Elek­tro­au­to­fah­rer bei ins­ge­samt 7.000 Lade­sta­tio­nen also bereits heu­te durchs gan­ze Land fah­ren, ohne Angst haben zu müs­sen, unter­wegs ohne Strom lie­gen zu blei­ben, denn not­falls lässt sich ein saft­lo­ser Stro­mer ja — ggf. mit ent­spre­chen­dem Adap­ter — auch an einer belie­bi­gen Haus­halts­steck­do­se über Nacht wie­der auf­la­den. Für nor­ma­le (schnel­le) Lang­stre­cken­fahr­ten effek­tiv nütz­lich sind aber eigent­lich nur Lade­säu­len mit min­des­tens 43 kW Lade­leis­tung, not­falls noch (für die letz­ten 50–100 km) 22 kW-Säulen. 

Über­sicht der wich­tigs­ten Schnell­la­de­sta­tio­nen in Deutsch­land25:

Ste­cker­typ AC oder DC max. akt. Lade- leistung Anzahl Schnell­la­de-punk­te in Deutsch- land Kom­pa­ti­ble Fahrzeuge
Typ 2

akaDer EU-AC-Stan­dard

AC 43 kW 43 kW: 215 

22 kW: 6.637

alle Elek­tro­au­tos in Euro­pa (ggf. mit ent­spre­chen­dem Lade­ka­bel bzw. Adap­ter)26
Ste­cker Com­bo 2 (DC) aka Der EU-DC-Stan­dard27 (nutz­bar über den Lade­stan­dard CCS, der auch für den Ste­cker Typ 2 (AC) geeig­net ist) DC 50 kW 50 kW: 326

22 kW: 156

(Anga­ben von hier):

CCS bie­ten aktu­ell: BMW i3, VW e‑Golf, VW e‑Up
Geplant: Hyun­dai Ioniq, Ford Focus Elec­tric II, Che­vro­let Bolt/Opel Ampera‑e, Audi R8,

Audi Q6, Mer­ce­des E‑GLC

CHA­de­MO akaDer asia­ti­sche Stan­dard DC 50 kW 50 kW: 214

22 kW: 160

(Anga­ben von hier):

Citro­ën Ber­lin­go / Peu­geot Part­ner (Model­le ab 2014),

Kia Soul EV, Mitsu­bi­shi i‑MiEV und sei­ne Able­ger Citro­ën C‑Zero und Peu­geot Ion,

Mitsu­bi­shi PI-Hybrid Outlander,

Nis­san LEAF, Nis­san e‑NV200,

Tes­la Model S und Model X

Tes­la Super­char­ger aka Der Gold­stan­dard DC 120 kW 120 kW: ~400 Tes­la-Fahr­zeu­ge (ande­re Her­stel­ler wol­len (bis­lang) lei­der nicht mitmachen)

Fahr­zeug­sei­ti­ge CCS-Lade­buch­se, geeig­net für die Ste­cker Typ 2 (obe­rer Teil der Buch­se, AC, bis 43 kW) und Com­bo 2 (bei­de Buch­sen­tei­le, DC, bis 50 kW):

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Abb. 4

Aus den grün mar­kier­ten Ste­cker­be­le­gun­gen lässt sich able­sen, wie bei der CCS-Vor­rich­tung sowohl Ste­cker des Typs 2 als auch Com­bo-2-Ste­cker genutzt wer­den können:

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Abb. 5

Aus dem Wiki­pe­dia-Arti­kel zum CCS-Ste­cker: “Von den eigent­lich 5 + 2 Kon­tak­ten des Typ 2 wer­den beim CCS-Gleich­strom­la­den mit dem Com­bo 2 nur die drei Erdungs- und Signal­kon­tak­te genutzt. Der Last­strom fließt über die bei­den zusätz­li­chen Gleich­strom­kon­tak­te [gelb].”28

Die Anga­ben der Über­sichts­ta­bel­le las­sen sich fol­gen­der­ma­ßen zusam­men­fas­sen:29

De fac­to gibt es in Euro­pa der­zeit drei Stan­dards, um ein Elek­tro­au­to in [rund] 30 Minu­ten auf 80 Pro­zent zu laden. Zuerst waren da die Japa­ner mit dem Gleich­strom-Lade­sys­tem CHA­de­MO. Dann nutz­ten die Fran­zo­sen den Wech­sel­strom-Stan­dard mit 43 Kilo­watt Lade­leis­tung. Zuletzt haben dann die Deut­schen den Gleich­strom-Stan­dard Com­bi­ned Char­ging Sys­tem (CCS) ein­ge­führt. Den deut­schen Stan­dard nut­zen (bis­lang) nur VW und BMW. CHA­de­MO nut­zen Mitsu­bi­shi, Kia, Nis­san, Peu­geot und Citro­en. Mit 43 Kilo­watt Wech­sel­strom lädt Renault.30

Wer sich nun auf chargemap.com die vor­han­de­nen Strom­tank­stel­len für eine bestimm­te Anschluss­art auf einer von ihm häu­fig gefah­re­nen Lang­stre­cke ansieht, wird fest­stel­len, dass es unter­wegs durch­aus meh­re­re in Betracht kom­men­de Schnell­la­de­mög­lich­kei­ten gibt. 

Die Fra­ge ist nur, ob man die­se dann auch tat­säch­lich nut­zen kann. Weil es näm­lich an einer Strom­tank­stel­le oft­mals nur 1–2 Lade­punk­te für einen bestimm­ten Anschluss gibt, läuft man Gefahr, bis­wei­len in der Schlan­ge oder gar im Regen zu ste­hen, wenn die benö­tig­te Säu­le gera­de besetzt oder defekt ist. Zudem braucht man bei vie­len Lade­sta­tio­nen auch noch eine bestimm­te Lade­kar­te, damit der ersehn­te Strom­fluss zustandekommt.

Unter ande­rem auf­grund die­ser Wid­rig­kei­ten fühlt man sich in Deutsch­land wohl der­zeit bis­wei­len noch wie eine Art Pio­nier, wenn man trotz die­ser Risi­ken eine Lang­stre­cken­fahrt mit einem Elek­tro­au­to antritt. 

Pra­xis­er­fah­run­gen der selbst­er­nann­ten “Zoe­Pio­nie­rin”:
Regel­mä­ßi­ge Mit­tel­stre­cken kein Pro­blem, Lang­stre­cken­fahr­ten durch Euro­pa erfor­dern noch Abenteuerbereitschaft

Wer sich heu­te fragt, ob eine Elek­tro­au­to denn für täg­li­che Pen­del­stre­cken oder gar ech­te Lang­stre­cken­fahr­ten durch Deutsch­land oder Euro­pa taugt, der soll­te ein­mal die Erfah­rungs­be­rich­te der Zoe­Pio­nie­rin lesen, die von 2013 bis 2016 rund 65.000 km mit ihrem Renault ZOE zurück­ge­legt hat.

In ihrem Fazit stellt sie zufrie­den fest, dass regel­mä­ßig zurück­zu­le­gen­de Mit­tel­stre­cken, bei denen man unter­wegs nur ein­mal (kurz) laden muss, heu­te über­haupt kein Pro­blem mehr sind:

Die Fahr­ten von Stutt­gart nach Mainz [gut 200 km] und zurück wur­den schnell zur Rou­ti­ne. […] Am Ende [2016] gab es auf dem Weg drei 43 Kilo­watt-Lade­sta­tio­nen. Im Som­mer muss­te ich damit nur noch 20 bis 25 Minu­ten laden. Das hat dann höchs­tens für ein gemüt­li­ches Eis gereicht.“31

Dass man heu­te mit einem Elek­tro­au­to auch ech­te Lang­stre­cken­fahr­ten in Deutsch­land unter­neh­men kann, hat die Zoe­Pio­nie­rin bereits 2014 bewie­sen, als sie eine 2.400 km lan­ge Deutsch­land­rund­fahrt absol­vier­te — obwohl ihr dama­li­ger Renault Zoe nur eine Pra­xis-Reich­wei­te von etwa 160 km hatte.

Gleich im Jahr dar­auf (2015) mach­te sie eine wei­te­re Lang­stre­cken­tour, dies­mal über Eng­land bis nach Schott­land. Ihr Fazit: 

Auch die­se Rei­se war etwas ganz beson­de­res und hat gezeigt, dass man auch heu­te schon mit einem [erschwing­li­chen!] Elek­tro­au­to ver­rei­sen kann.”

Im Rück­blick auf ihre eige­nen Erfah­rungs­be­rich­te stell­te die Zoe­Pio­nie­rin im Juli 2016 dann in Anbe­tracht des seit­her bereits erfolg­ten Aus­baus der Lade­infra­struk­tur in Deutsch­land fest:

Komisch, wenn ich die letz­ten Absät­ze jetzt noch ein­mal lese, scheint es, als wür­de ich mei­nen Enkeln von lang ver­gan­ge­nen Zei­ten berich­ten. Das alles ist aber kei­ne drei Jah­re her, bis ich Enkel habe ist noch viel Zeit.”

Wie viel Begeis­te­rung die Elek­tro­mo­bi­li­tät ent­fa­chen kann, lässt sich schließ­lich an fol­gen­den Zei­len ablesen:

Mir war auch schon nach den ers­ten – wenn auch manch­mal beschwer­li­chen – Kilo­me­tern [im Jahr 2013] klar, dass es kei­nen Weg mehr zurück gibt. Für kein Geld der Welt wür­de ich mein Elek­tro­au­to gegen eines mit Ver­bren­nungs­mo­tor zurück­tau­schen. […] Elek­trisch fah­ren macht so viel Spaß, dass man all die­se Unan­nehm­lich­kei­ten ger­ne in Kauf nahm.“32

Wir sehen also: Trotz der bis­wei­len auf­tre­ten­den Wid­rig­kei­ten kann man, mit Enthu­si­as­mus und etwas Orga­ni­sa­ti­ons­ta­lent aus­ge­stat­tet, nicht nur die unzäh­li­gen Kurz­stre­cken im All­tag, son­dern auch Mit­tel- und Lang­stre­cken bewältigen.

Da jedoch nicht alle Auto­fah­rer mit soviel E‑nthusiasmus aus­ge­stat­tet sind wie die Zoe­Pio­nie­rin, muss ins­be­son­de­re die Schnelllade­infra­struk­tur in Deutsch­land drin­gend wei­ter aus­ge­baut wer­den — wozu aus Selbst­er­hal­tungs­trieb sicher auch die Tank­stel­len­ket­ten bei­tra­gen wer­den — und der Zugang ver­ein­heit­licht und ver­ein­facht wer­den, damit alle Elek­tro­au­to­fah­rer in Deutsch­land mög­lichst bald voll­kom­men beden­ken­los Lang­stre­cken­fahr­ten antre­ten können.
Genau das — unkom­pli­zier­tes Laden und Bezah­len — soll nun im Rah­men des inter­char­ge-Net­zes der eRoa­ming Platt­form Hub­ject in Angriff genom­men wer­den. Mit dabei sind neben BMW, Daim­ler und Volks­wa­gen auch Zulie­fe­rer wie Bosch und Sie­mens sowie gro­ße Strom­ver­sor­ger und zahl­rei­che Stadtwerke.

Wäh­rend die­ses Pro­jekt aber noch ver­gleichs­wei­se in den Kin­der­schu­hen steckt, war man im Lade­pa­ra­dies Nie­der­lan­de” schon 2014 viel wei­ter, wie die Zoe­Pio­nie­rin nach ihrer Rück­kehr von einem Abste­cher ins Nach­bar­land ange­sichts der vor­bild­li­chen Lade­infra­struk­tur feststellte: 

Die Nie­der­lan­de sind so etwas wie ein Mus­ter­land für Elek­tro­mo­bi­li­tät. Nahe­zu alle Lade­säu­len las­sen sich mit der The New Moti­on-Kar­te frei­schal­ten. Lade­säu­len ste­hen an jeder Ecke und Schnell­la­de­sta­tio­nen, die es hier reich­lich an den Auto­bah­nen gibt, bie­ten stan­dard­mä­ßig alle CCS, CHA­de­MO und AC43kW an. Fast­ned baut gera­de ein flä­chen­de­cken­des Netz an nie­der­län­di­schen Auto­r­ast­hö­fen.“33

Damit aber Elek­tro­au­to­fah­rer bei Aus­lands­rei­sen  nicht in die Röh­re gucken, haben die füh­ren­den Lade­netz­be­trei­ber von fünf euro­päi­schen Län­dern — Frank­reich, Nie­der­lan­de, Nor­we­gen, Öster­reich und Schweiz — im Febru­ar 2017 ver­kün­det, dass sie es ihren Nut­zern spä­tes­tens Ende des Jah­res ermög­li­chen wer­den, ohne Ein­schrän­kun­gen auch in den Part­ner­net­zen im Aus­land zu laden.

Nicht dabei bis­lang: die deut­schen Netz­be­trei­ber. Das woll­ten aber offen­bar nicht alle auf sich sit­zen las­sen. Und so hat E.ON nur weni­ge Tage spä­ter eine Koope­ra­ti­on mit dem däni­schen Anbie­ter CLEVER zum Auf­bau eines Schnell­la­de­netz­werks für Elek­tro­au­tos ent­lang der meist­be­fah­re­nen Stra­ßen Euro­pas verkündet.

Bereits Ende Novem­ber 2016 hat­ten die gro­ßen deut­schen Auto­kon­zer­ne ange­kün­digt, ab 2017 ein euro­pa­wei­tes Netz von anfangs 400 Ultra-Schnell­la­de­sta­tio­nen mit einer Lade­leis­tung von sage und schrei­be 350 kW auf­bau­en zu wol­len. Das wäre fast drei­mal so schnell wie der bis­he­ri­ge Lade­pri­mus Tes­la.34 Das Vor­ha­ben läuft par­al­lel zu den 200 Mil­lio­nen Euro schwe­ren Plä­nen des Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums, 400 Schnell­la­de­sta­tio­nen für Elek­tro­au­tos an deut­schen Auto­bahn­rast­stät­ten zu errichten.

Es man­gelt also nicht an breit auf­ge­stell­ten Initia­ti­ven zum Aus­bau der Lade­infra­struk­tur und mit­tel­fris­tig ist sicher mit wei­te­ren Zusam­men­schlüs­sen oder zumin­dest Koope­ra­tio­nen auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne zu rech­nen, was bat­te­rie­elek­tri­sche Aus­lands­tou­ren deut­lich erleich­tern dürfte.

Da die­se Pro­jek­te aber noch in den Kin­der­schu­hen ste­cken, wol­len wir uns nun ein­mal anse­hen, wie man in Deutsch­land heu­te schon mit einem aktu­el­len Strom­au­to auf Lang­stre­cken vorankommt.

Pra­xis­ana­ly­se: Wie groß ist der Zeit­ver­lust bei Lang­stre­cken­fahr­ten mit einem Stromauto?

Zuge­ge­ben, manch­mal ist es ein­fach am prak­tischs­ten, eine län­ge­re Stre­cke mit dem eige­nen Pkw zu fah­ren. Und wenn die Stre­cke län­ger als 150 km oder gar 200 km ist, wird man mit einem heu­te ver­füg­ba­ren Elek­tro­au­to um einen “Tank­stopp” unter­wegs nicht her­um­kom­men, wenn man sich kei­nen Ober­klas­se-Tes­la leis­ten kann. 
Die ent­schei­den­de Fra­ge ist daher, wie weit man mit den oben auf­ge­führ­ten, gän­gigs­ten Elek­tro­au­tos kommt, wenn man unter­wegs 1–2  Mal Strom nach­la­den muss. Dies haben wir auf der Grund­la­ge von zwei Sze­na­ri­os untersucht: 
a) Schnel­le Auto­bahn­fahrt (mit 130 km/h) und b) gemäch­li­che Auto­bahn­fahrt (mit 100 km/h).

  • Schnel­le Auto­bahn­fahrt (mit 130 km/h)35

reichweite_stromer_autobahn
Abb. 6

Bei schnel­ler Auto­bahn­fahrt mit über­aus anspruchs­vol­lem Last­pro­fil gemäß dem  ADAC-Auto­bahn­zy­klus36 kom­men die drei bereits heu­te ver­füg­ba­ren Elek­tro­au­tos ohne Zwi­schen­stopp auf eine Reich­wei­te von 120–140 km.37 In jeder anschlie­ßend ein­ge­leg­ten 30-minü­ti­gen Lade­pau­se erhal­ten sie gut 70 km (ZOE) bzw. rund 100 km (i3 und Leaf) zusätz­li­che Reich­wei­te, wobei der ZOE wegen sei­nes hohen Strom­ver­brauchs und sei­ner gerin­ge­ren Lade­leis­tung (43 statt 50 kW) zurück­fällt, wäh­rend sich der BMW i3 dank sei­nes ver­gleichs­wei­se nied­ri­gen Ver­brauchs nach vorn schiebt. 

Mit dem i3 bräuch­te man für die 342 km exakt 3 Stun­den und 51 Minu­ten, wovon eine Stun­de auf die bei­den Lade­pau­sen ent­fie­le. Mit einem Ver­bren­ner könn­te man die­sel­be Stre­cke in 2 Stun­den und 51 Minu­ten38 schaf­fen, weil man natür­lich kei­ne Pau­se ein­le­gen müss­te. Dann käme man also gut eine Stun­de frü­her, aber weni­ger ent­spannt am Ziel­ort an, weil man ohne Pau­se durch­ge­fah­ren wäre, anstatt zwei Zwi­schen­stopps zu machen.

b) Gemäch­li­che Auto­bahn­fahrt (mit 100 km/h)39

reichweite_stromer_autobahn_gemaechlich
Abb. 7

Bei gemäch­li­che­rer Auto­bahn­fahrt mit rund 100 km/h40 kom­men die drei Elek­tro­au­tos ohne Zwi­schen­stopp auf eine Reich­wei­te von 150–190 km41. In jeder anschlie­ßend ein­ge­leg­ten 30-minü­ti­gen Lade­pau­se erhal­ten sie 100 km (ZOE), 120 km (Leaf) bzw. 140 km (i3) zusätz­li­che Reich­wei­te, so dass der ZOE sei­nen durch den gro­ßen Akku beding­ten anfäng­li­chen Vor­sprung wegen des hohen Strom­ver­brauchs und der gerin­ge­ren Lade­leis­tung (43 statt 50 kW) ein­büßt, wäh­rend der BMW i3 dank sei­nes nied­ri­gen Ver­brauchs davonzieht. 

Mit dem i3 bräuch­te man für die 472 km exakt 6 Stun­den und 15 Minu­ten42, wovon eine Stun­de auf die bei­den Lade­pau­sen ent­fie­le. Mit einem Ver­bren­ner könn­te man die­sel­be Stre­cke wohl in gut 4 Stun­den und 20 Minu­ten schaf­fen, wenn man mit einer Fahr­ge­schwin­dig­keit von 120 km/h effek­tiv eine Durch­schnitts­ge­schwin­dig­keit von 110 km/h erreicht und zwi­schen­durch eine kur­ze Pau­se von 5 Minu­ten ein­legt. Dann käme man also knapp zwei Stun­den frü­her, aber etwas weni­ger aus­ge­ruht am Rei­se­ziel an.

Ein sol­cher Zeit­ver­lust von knapp zwei Stun­den pro Stre­cke ist zwar nicht uner­heb­lich, er wird aber dadurch rela­ti­viert, dass die meis­ten Auto­fah­rer in Deutsch­land solch lan­ge Fahr­ten von 400–500 km nur weni­ge Male im Jahr unter­neh­men. Selbst wenn man Weih­nach­ten, Ostern und im Som­mer jeweils eine der­ar­ti­ge Fern­rei­se mit einem Stro­mer unter­nimmt, ver­liert man aufs Jahr gese­hen ins­ge­samt  (Hin- und Rück­fahr­ten) gera­de ein­mal 12 Stun­den, mit ande­ren Wor­ten also ledig­lich eine Stun­de im Monat.

Wer ein­mal ein Elek­tro­au­to gefah­ren ist und die lang­fris­ti­gen Vor­tei­le nüch­tern durch­ge­rech­net hat, der wird zu dem Schluss kom­men, dass eine Stun­de im Monat eine sehr gute Zeit­in­ves­ti­ti­on ist, weil man im Gegen­zug viel Fahr­spaß erhält, auf lan­ge Sicht in vie­len Fäl­len Geld spart und nicht zuletzt die Umwelt schont.

Aus­blick Mit­te 2017–2018

Schon bald wird es aller­dings noch weit bes­se­re Mög­lich­kei­ten geben, Lang­stre­cken mit einem erschwing­li­chen Elek­tro­au­to zurück­zu­le­gen: Im Som­mer 2017 rollt der Opel Ampera‑e in Euro­pa vor, der laut der US-Umwelt­be­hör­de EPA auf eine mehr als dop­pelt so hohe Pra­xis-Reich­wei­te kommt wie Leaf, ZOE und i3. 

Eben­falls ab Mit­te 2017 sol­len die ers­ten Exem­pla­re des Tes­la Model 3 in den USA aus­ge­lie­fert wer­den, der bis­lang mit einer EPA-Reich­wei­te von min­des­tens 346 km ange­kün­digt wur­de, wobei jedoch fest damit zu rech­nen ist, dass er letzt­lich eben­falls eine dop­pelt so hohe Pra­xis-Reich­wei­te errei­chen wird wie Leaf, ZOE und i3 — nicht zuletzt, weil Tes­la es wohl nicht auf sich sit­zen las­sen kann, vom alt­ein­ge­ses­se­nen Kon­kur­ren­ten Gene­ral Motors (zu dem die Mar­ke Che­vro­let mit dem Ampera-Bru­der Bolt gehört) aus­ge­rech­net in sei­ner Para­de­dis­zi­plin “Stro­mer-Reich­wei­te” durch ver­gleich­bar güns­ti­ges Modell über­trumpft zu werden.

Mit die­sen neu­en Elek­tro­au­tos kann man dann bei gemäch­li­cher Auto­bahn­fahrt (rund 100 km/h) vor­aus­sicht­lich min­des­tens 350 km auf der Auto­bahn zurück­le­gen, bevor man sich erst­mals nach einer Lade­mög­lich­keit umse­hen muss.

Dabei gehen wir (abge­se­hen von den bei­den 30-minü­ti­gen Lade­pau­sen) von fol­gen­den Annah­men aus: 

Akku­grö­ße Strom­ver­brauch bei 
100 km/h
Ladeleistung Effek­ti­ves Stre­cken­tem­po im Verkehr
Che­vro­let Bolt/ 
Opel Ampera‑e
60 kWh max. 17,6 kWh/100 km43 50 kWh pro Stunde 90 km pro Stunde
Tes­la Model 3 geschätzt 55 kWh max. 17,6 kWh/100 km 120 kWh pro Stunde 90 km pro Stunde

Das führt zu fol­gen­dem Ergebnis:

Abb.9
Abb. 8

Mit Ampera‑e und Model 3 wird man somit bei einem Nor­mal­tem­po von 100 km/h, das dazu führt, dass man de fac­to 90 km in der Stun­de vor­an­kommt, mehr als 300 km auf der Auto­bahn fah­ren kön­nen, bevor man erst­mals an die Lade­säu­le muss — wobei man ja nach 3,5 Stun­den in der Regel ohne­hin eine Pau­se ganz gut gebrau­chen kann. 
Nach dem ers­ten Lade­stopp wird sich dann aller­dings die Spreu vom Wei­zen tren­nen. Denn wäh­rend der Che­vro­let Bolt/Opel Ampera‑e anschlie­ßend wohl spä­tes­tens alle 90 Minu­ten bzw. 140 km nach­la­den muss, kann der Tes­la-Fah­rer nach jedem Lade­vor­gang (der zudem nur 22 Minu­ten dau­ern wür­de44) wie­der fast drei Stun­den fah­ren und kommt somit jeweils fast dop­pelt so weit. 

Die genaue­ren Umstän­de erklä­ren wir am bes­ten in einem blau­en Kasten.

Son­der­fall Tesla

Für Lang­stre­cken­fahr­ten kön­nen Besit­zer eines Elek­tro­au­tos des US-Her­stel­lers Tes­la abge­se­hen von der oben erläu­ter­ten öffent­li­chen Lade­infra­struk­tur in Deutsch­land auch die Tes­la-eige­ne Infra­struk­tur nut­zen: In Deutsch­land gibt es für sie der­zeit rund 60  (Stand Mai 2017) soge­nann­te Super­char­ger-Sta­tio­nen45 ent­lang viel­be­fah­re­ner Stra­ßen mit ins­ge­samt  rund 400 Lade­punk­ten, an denen Tes­la-Fahr­zeu­ge etwa dop­pelt so schnell gela­den wer­den kön­nen wie an den schnells­ten öffent­li­chen Ladestationen:

tesla_supercharger
Abb. 9

Bis Ende 2017 soll die welt­wei­te Anzahl der Super­char­ger-Lade­säu­len zudem von Ende 2016 gut 4.800 an rund 770 Stand­or­ten bis Ende 2017 fast ver­dop­pelt wer­den.46 Dar­über hin­aus hat Elon Musk ange­deu­tet, dass die nächs­te Super­char­ger-Gene­ra­ti­on “V3” einen deut­li­chen Geschwin­dig­keits­schub beim Laden mit sich brin­gen wird — mit deut­lich mehr als 350 KW47.

Außer­dem gibt es in Deutsch­land Stand Mai 2017 rund 24448 soge­nann­te Desti­na­ti­on Char­ger (lang­sa­me­re Tes­la-Lade­säu­len auf den Park­plät­zen von Hotels, Restau­rants, Ein­kaufs­zen­tren und ande­ren “Orten von Inter­es­se”), deren Zahl (gemäß der Ankün­di­gung in einem Video­aus­schnitt von der Prä­sen­ta­ti­on des Tes­la Model 3 am 31. März 2016) von Anfang 2016 fast 3.700 bis Ende 2017 auf 15.000 erhöht und somit sogar mehr als ver­vier­facht wer­den soll (in Deutsch­land waren es im Janu­ar 2017 noch 120!).

Abb. 10: Desti­na­ti­on-Lade­säu­len vor einem Hotel

Somit wird die Markt­ein­füh­rung des Tes­la Model 3 dazu füh­ren, dass ein ent­schei­den­der Vor­teil des Ober­klas­sen­mo­dells S des US-Her­stel­lers “demo­kra­ti­siert”, also für die brei­te Mas­se ver­füg­bar gemacht wird. Denn dank der Tes­la-Super­char­ger-Sta­tio­nen kann man schon heu­te mit einem Elek­tro­au­to spon­tan und abso­lut ent­spannt zu Lang­stre­cken­fahr­ten auf­bre­chen. Dies bezeugt die Zoe-Pio­nie­rin49 (die mitt­ler­wei­le von dem klei­nen Renault-Strom­flit­zer zum US-Ober­klas­sen­stro­mer über­ge­lau­fen ist) in einem inter­es­san­ten Bericht über die Heim­fahrt nach einer spon­tan unter­nom­me­nen Mittelmeerreise: 

Und dann bin ich ein­fach heimgefahren
Es war so unspek­ta­ku­lär, wie es klingt. Um kurz nach eins habe ich mei­ne Hei­mat­adres­se ins Navi ein­ge­ge­ben. Für die knapp 1.000 Kilo­me­ter hat das Model S eine Rei­se­zeit inklu­si­ve Super­char­ger-Stopps von knapp 12 Stun­den kal­ku­liert. Wegen ziem­lich dich­ten Nebels in den Voge­sen und im Schwarz­wald hat es dann ein biss­chen län­ger gedauert. […]
Das Gan­ze hat gezeigt, man kann mit dem Model S pro­blem­los an einem Tag ans Mit­tel­meer fah­ren. Dank des stän­dig wach­sen­den Super­char­ger-Net­zes ist bald jeder Punkt in Euro­pa zu errei­chen. […] Wo es kei­ne Super­char­ger gibt, kann das Model S mit­tels eines spe­zi­el­len Adap­ters an CHA­de­MO-Lade­säu­len laden. Hier kann man immer­hin noch über 200 Kilo­me­ter pro Stun­de nach­la­den. […] Am Super­char­ger sind es zwi­schen 220 (70-Kilo­watt­stun­den-Bat­te­rie) und 300 Kilo­me­ter (90-Kilo­watt­stun­den-Bat­te­rie) pro 30 Minu­ten. Damit ist das Model S noch vor der Renault ZOE das Auto mit der größ­ten Fle­xi­bi­li­tät bei den Lade­mög­lich­kei­ten. Dazu ist der Strom an den Super­char­gern bereits im Kauf­preis des Autos ent­hal­ten.50 Inzwi­schen zeigt das Model S im Navi an, ob der Super­char­ger ver­füg­bar ist.”

Wei­ter zum nächs­ten Artikel:

Quel­len:
Abbil­dung 3: ©2016 Goin­gE­lec­tric Strom­tank­stel­len-Ver­zeich­nis51
Abbil­dung 4:©2014 Robert Basic52
Abbil­dung 5: ©2016 Monats­be­richt Febru­ar 2016, Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um — Sei­te 353
Abbil­dung 9: ©2012 Tes­la54
Abbil­dung 10: ©2016 Mar­cel Mansfeld

12 Gedanken zu „Die Reichweite von Elektroautos“

  1. Tol­ler Bericht, dan­ke dafür!

    Aller­dings ein klei­ner Hin­weis bei den Ein­hei­ten: Akku-Grö­ßen bzw. Spei­cher­ka­pa­zi­tät wer­den in Kilo­watt­stun­den (kWh) ange­ge­ben. Kilo­watt (kW) ist die Leis­tung, also z.B. vom Motor oder der Ladung.
    Die Lade­leis­tung trägt also die Ein­heit kW.
    Die Ein­heit kW/h gibt es nicht. Der Ver­brauch, also die kWh wer­den z.B. auf 100 km wie folgt ange­ge­ben: 17,6 kWh/100 km.

    Aber wie gesagt, ansons­ten ein ganz tol­ler Bericht.

    1. Vie­len Dank für die Blu­men und den Hin­weis! Gemeint war “kWh/h”, um dem Lai­en zu ver­deut­li­chen, wie viel Ener­gie pro Stun­de im Akku landet.

      Ich bin den Arti­kel noch­mal durch­ge­gan­gen und habe das u.a. in der betref­fen­den Tabel­le ent­spre­chend ange­passt. Jetzt soll­ten alle Anga­ben “phy­si­ka­lisch kor­rekt” sein.

  2. Vie­len dank für die­sen tol­len Arti­kel! Hof­fent­lich wer­den ihn vie­le Inter­es­sier­te fin­den und dadurch ihre evtl. noch vor­han­de­nen Vor­ur­tei­le abbauen.

  3. Zitat: “Im All­tag kom­men die aller­meis­ten Elek­tro­au­to­fah­rer also mit einer Steck­do­se zu Hau­se oder am Arbeits­platz aus.”

    Das kann man nicht ver­all­ge­mei­nern, da es oft­mals bei PKW Stell­plät­zen zur Wohnung/Haus oder öffent­li­chen Parkplätzen/Parkbuchten in der Nähe des Arbeits­platz kei­nen Strom­an­schluss gibt.

    Ansons­ten super Bericht!

    1. Das stimmt natürlich.
      Zur Anzahl der Deut­schen, die am Park­platz zu Hau­se oder am Arbeits­platz Zugang zu einer Steck­do­se haben, sam­meln wir noch Infor­ma­tio­nen und wer­den die­se so bald wie mög­lich ergänzen.
      Abge­se­hen davon gibt es aber mitt­ler­wei­le in Deutsch­land eini­ge Initia­ti­ven, Stra­ßen­la­ter­nen mit Lade­buch­sen für Elek­tro­au­tos aus­zu­stat­ten (ein­fach mal goo­geln). Das könn­te ein ele­gan­ter und rela­tiv kos­ten­güns­ti­ger Ansatz sein, um noch mehr Leu­ten Lade­mög­lich­kei­ten zu bieten.

  4. Das größ­te Pro­blem neben den feh­len­den Steck­do­sen in Tief­ga­ra­gen und ande­ren pri­va­ten Stell­plät­zen ist die Tat­sa­che, dass nicht an einem Ort belie­big vie­le Dosen instal­liert wer­den kön­nen. In einer TG kön­nen nicht 100 oder 500 50 Ampere Anschlüs­se gelegt wer­den, weil die Zulei­tun­gen nicht genug Kapa­zi­tät haben. Die gan­ze Strom-Infra­struk­tur ist dafür viel zu schwach aus­ge­legt. Es bräuch­te neu­ne, sehr dicke Kabel und neue Umspann­wer­ke. Ansons­ten dau­ert das Laden immer län­ger, je mehr Leu­te elek­trisch fah­ren wol­len. Und um alle zu errei­chen, müss­te die Reich­wei­te iden­tisch mit der Fahr­leis­tung eines Tages sein, also etwa 1000 km. Strom für meh­re­re 100 km nach­zu­la­den darf nicht län­ger als ein paar Minu­ten dau­ern. An Auto­bahn­rast­stät­ten braucht man hun­der­te Dosen mit den ent­spre­chen­den Kapa­zi­tä­ten. Umso mehr je län­ger das Laden dauert.
    Die Mach­bar­keit für 50 Mio Autos scheint mir fraglich!

    1. Des­halb gibt es ja die Wall­bo­en die die Lade­leis­tung je nach Situa­ti­on im Strom­netz begren­zen. Am bes­ten wird natür­lich solar vor Ort am Arbeits­platz der Strom erzeugt und sofort “getankt”; damit kann man die Netz­te von einem grö­ße­ren Teil des Strom­be­darfs ent­las­ten, und wer zu Hau­se nachts nach­lädt, macht dies eben­falls zu einer zeit mit gerin­ger Belas­tung der Stromnetze.

      1. Die loka­le Strom­erzeu­gung durch Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen könn­te in die­ser Hin­sicht in der Tat eine wich­ti­ge Rol­le spielen.
        In Anbe­tracht des Preis­ver­falls wird näm­lich mit einem neu­er­li­chen Solar­strom-Boom gerech­net.
        Und durch den Preis­rück­gang von Strom­spei­chern wie der Power­wall und des Power­packs von Tes­la dürf­te die­ser Solar­strom auch in zuneh­men­dem Maße rund im die Uhr ver­füg­bar sein.

  5. Aus­sa­ge­kräf­ti­ger fän­de ich den Ver­gleich der glei­chen Strecke.
    Z.B. bei Renault ZOE:
    285 km mit 130 km/h und zwei­mal not­wen­di­gem Laden:
    2 Std. 11 Min Fahrt­zeit plus 1 Stun­de laden

    285 km mit 100 km/h und ein­ma­li­gem Laden:
    2 Std. 53 Min Fahrt­zeit plus 30 Min. laden, zusam­men 3 Std. 23 Minu­ten und somit
    nur 12 Minu­ten län­ge­re Rei­se­zeit als bei höhe­rem Tempo.

    1. Das ist ein inter­es­san­ter Punkt.

      Wir sind davon aus­ge­gan­gen, dass der durch­schnitt­li­che Elek­tro­au­to­fah­rer wenig Lust hat, auf einer Lang­stre­cken­fahrt mehr als zwei halb­stün­di­ge Lade­pau­sen ein­zu­le­gen, und woll­ten auf die­ser Grund­la­ge ein­mal ermit­teln, wie weit man dann mit den ver­schie­de­nen Stromern kommt.

      Auf der Grund­la­ge der von uns bereit­ge­stell­ten Daten kann, wie Sie es ja auch getan haben, jeder Ein­zel­ne ja selbst errech­nen, wie lan­ge er für sei­ne meist­ge­fah­re­nen Stre­cken braucht.

      Am prak­tischs­ten für sol­che Zwe­cke wäre natür­lich ein Berech­nungs­tool, bei dem man sei­ne Daten in eine Mas­ke ein­gibt und dann das gewünsch­te Ergeb­nis aus­ge­spuckt bekommt (z.B.: Wie lan­ge brau­che ich, wenn ich mit einem Opel Ampera‑e eine Stre­cke von 600 km zurück­le­gen will — bei 130 km/h oder 100 km/h.).
      Wenn ein Leser weiß, wie man sowas auf unse­rer Web­site tech­nisch umset­zen könn­te, wären wir für die­se Unter­stüt­zung sehr dankbar!

  6. Der Opel Ampera‑e wird nur in homöo­pa­thi­schen Stück­zah­len nach Deutsch­land kom­men. Mei­ne bei­den Händ­ler vor Ort haben auf Nach­fra­ge nur müde abge­winkt. Zumin­dest was Deutsch­land betrifft, ist die Kar­re eine rei­ne Alibiveranstaltung.

    Der Tes­la 3 ist für Leu­te, die ansons­ten viel­leicht über eine Mer­ce­des E‑Klasse oder ähn­li­che Preis­la­gen nach­den­ken. USD 35.000 (wenn sie das über­haupt hal­ten kön­nen) wer­den in D wohl auf deut­lich über 50.000 EUR hinauslaufen. 

    Bleibt hier­zu­lan­de also wei­ter­hin nur eine Aus­wahl von wenig reiz­vol­len bzw sehr teu­ren (BMW i3) Kleinwagen…

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