Auf dem 18. Technischen Kongress des Verbands der Automobilindustrie in Ludwigsburg machte Stefan Niemand, Leiter der Elektroauto-Sparte von Audi, am 18. März 2016 in seinem Vortrag eine überaus denkwürdige Aussage:1
Es schmerzt mich, es zu sagen, aber Tesla hat bisher strategisch leider alles richtig gemacht. […] Wer einmal elektrisch gefahren ist, der ist für alle Zeiten für den Verbrenner verloren.
Die Zeiten ändern sich, und zwar sehr schnell. Wir schreiben das Jahr 2016 und die konventionellen Autohersteller müssen größte Anstrengungen unternehmen, um die ständig steigenden Umweltschutzanforderungen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren einzuhalten. Das ist inzwischen offenbar so schwierig geworden, dass sich einige Ingenieure nicht mehr anders zu helfen wissen, als mit faulen Tricks zu arbeiten, um die Vorgaben zu erfüllen.

So musste der Volkswagen-Konzern 2015 unter massivem Druck zugeben, die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen per Mogelsoftware manipuliert zu haben — ein Novum in der Geschichte der Autoindustrie. Und auch andere Automobilhersteller sahen sich gezwungen, unerlaubte Abschalteinrichtungen zu verwenden. Das mühsam aufgebaute Saubermann-Image der Dieseltechnologie ist seither schwer beschädigt und Volkswagen wird wohl noch mehrere Jahre mit den Folgen der Affäre zu kämpfen haben. Doch die oben zitierte Aussage eines leitenden Angestellten eben dieses Konzerns zeigt: In der Branche hat ein Umdenken eingesetzt, das das Ende des Zeitalters des Verbrennungsmotors einläuten könnte. Und als Automobil der Zukunft setzen viele auf das Elektroauto.
Das Jahrhundert der fossilen Energie
Das Elektroauto. Eine Idee, die so alt ist wie das Automobil selbst:

Nur zwei Jahre nach der Patentierung des Benz-Motorwagens von 1886 gab es das erste rein elektrisch angetriebene Auto. Doch ab 1910 verschwand der Antrieb wieder von der Bildfläche, denn der Verbrennungsmotor stach die junge Technik vor allem dank seiner größeren Reichweite und seines billigen Kraftstoffs auf dem Markt aus. Bis in die 1990er Jahre fristete die Elektromobilität darum nur ein Nischendasein. Seither machen Stromautos aber wieder mehr und mehr von sich reden und schicken sich nun, nach mehr als einem Jahrhundert nahezu rein fossiler Energienutzung, sogar an, den Verbrennungsmotor auf den Schrottplatz der Automobilgeschichte zu verbannen.
Die seit der Entdeckung von Erdöl als Brennstoff nahezu ständig steigende Verbrennung fossiler Brennstoffe und der damit verbundene rasante Anstieg des CO₂-Gehalts in der Atmosphäre sind nach nahezu einhelliger Meinung der Klimaforscher dieser Welt2 Hauptursache für den Klimawandel und die globale Erwärmung. In Politik und Gesellschaft der großen Industrienationen ist in den letzten Jahrzehnten die Erkenntnis gereift, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.


Auch wenn sich die Hinweise mehren, dass wir mit dieser Erkenntnis sehr spät oder gar zu spät dran sind, nimmt die Umstellung auf regenerative Energiequellen seither immer mehr an Fahrt auf. Der damit einhergehende technische Fortschritt, die absehbar zur Neige gehenden Erdölvorräte und das weltweit wachsende ökologische Bewusstsein angesichts der nicht mehr übersehbaren, vom Menschen gemachten Klimaveränderungen haben auch die Idee des Elektroautos wieder zurück in das Bewusstsein gerufen: Könnten Stromer nicht vielleicht eine sinnvolle Mobilitätsalternative zum klimaschädlichen Verbrennungsmotor sein?
Das Phänomen Tesla
„Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“ 3
Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2003 in Kalifornien die Tesla Motors Inc. gegründet, ein allein dem Bau von Elektroautos verschriebenes Unternehmen, dessen Chef Elon Musk von Anfang an mit der Mission angetreten ist, Elektroautos zum Durchbruch auf dem Massenmarkt zu verhelfen. Nach schwierigen Anfangsjahren des Branchenneulings ist es nunmehr größtenteils Tesla zu verdanken, dass die Massenproduktion von Elektroautos heute zum Greifen nah ist.

Der enorme Erfolg des Tesla Model S, das 2009 erstmals präsentiert wurde und seit 2012 ausgeliefert wird, hat selbst viele Branchenkenner überrascht. Im Jahr 2015 hat das Auto bei den Absatzzahlen sowohl in den USA4 als auch in Europa5 sämtliche Vergleichsmodelle der anderen Premiumhersteller überflügelt. Zwar gab und gibt es schon länger auch Elektrofahrzeuge anderer Hersteller, aber keines vermochte auch nur ansatzweise soviel Begeisterung hervorzurufen wie die Tesla-Oberklassenlimousine, die den Begriff Elektroauto erstmals mit hochattraktivem Design, Spitzenleistung, Komfort und großer Reichweite verbindet.

Darüber hinaus hat Tesla in vielen Ländern bereits ein gut funktionierendes Netz an Schnellladestationen entlang der wichtigsten Autobahnen aufgebaut — die sogenannten Supercharger, die eine Weiterfahrt mit fast vollem Akku nach 30 Minuten möglich machen. Bis Ende 2017 soll deren Anzahl binnen 20 Monaten noch einmal verdoppelt werden.6
Diese Umstände erklären, wie es Tesla gelingen konnte, nach der Vorstellung des neuen, preiswerten Mittelklassewagens Model 3 im März 2016 innerhalb von nur einer Woche mehr als 300.000 Vorbestellungen zu erhalten, obwohl das Auto frühestens Ende 2017 ausgeliefert werden kann — ein bisher nie dagewesenes Phänomen in der Autoindustrie.7 Aufgeschreckt durch diesen rasanten Aufstieg eines anfangs müde belächelten “Möchtegern-Konkurrenten”, treiben nun auch andere Hersteller die Entwicklung von preiswerten Elektrofahrzeugen mit alltagstauglicher Reichweite voran.
Das Prinzip Elektroauto — immer noch teils umstritten
Wir, die Autoren dieses Blogs, haben die Ereignisse und Wegmarken dieser Entwicklungen mit großem Interesse verfolgt und mussten feststellen, dass zum Thema Elektromobilität eine Menge Halb- und Unwahrheiten verbreitet werden, die sich zum Teil unangenehm verfestigt haben.8 Dies liegt zum einen an der enormen Geschwindigkeit des Wandels — vieles von dem, was vor fünf Jahren noch stimmte, ist heute bereits vollkommen überholt. Zum anderen spielen aber auch Faktoren wie Skepsis gegenüber neuen Technologien, allgemeiner Unwille zum Wandel und nicht zuletzt handfeste wirtschaftliche Interessen (Stichwort: traditionelle Autolobby) eine Rolle.
Um etwaige aus Unwissenheit oder sogar vorsätzlich verbreitete Unwahrheiten zu entlarven, wollen wir die häufigsten Einwände, die gegen Elektroautos erhoben werden, in den folgenden Kapiteln einer kritischen Beurteilung unterziehen.
Elektroautos — Die Einwände in der Übersicht
Quellen:
Abbildung 1/Titelbild: ©2014 Raneko9
Abbildung 2: ©2015 Mark Demers10
Abbildung 3: ©2011 Franz Haag11
Abbildung 4: ©2014 io9 / NASA GISS12
Abbildung 5: ©2015 waitbutwhy.com13
Abbildung 6: ©2013 Jeff Cooper14