Einwand “Elektroautos sind wegen der hohen Akkukosten zu teuer und darum nicht massentauglich”
Eines der Hauptargumente gegen die Massentauglichkeit von Elektroautos lautet, dass diese viel teurer seien als vergleichbare Pkw mit Verbrennungsmotor und daher auf dem Massenmarkt keine Chance hätten.
Hauptgrund für den Aufpreis von Elektroautos ist natürlich der vergleichsweise teure Akku: Obwohl die Akkupreise zwischen 2010 und 2016 um rund 80% gefallen sind,1 muss man aktuell für eine 40 kWh-Batterie, mit der etwa der neue Renault ZOE auf eine Normreichweite von 400 km kommt, etwa 8.000 EUR rechnen.2
Deshalb ist klar, dass der Aufpreis eines solchen Stromers desto stärker ins Gewicht fällt, je kleiner und billiger das Fahrzeug selbst ist: Bei einem Kleinwagen, der weniger als 10.000 EUR kostet, kann die Stromvariante im Extremfall nahezu doppelt so teuer sein wie eine günstige Verbrennerversion. Und da im Kleinwagensegment zudem die Betriebskosten am geringsten sind, können kleine Stromer den höheren Anschaffungspreis auch nicht so leicht wieder reinholen.
Folglich lohnen sich Kleinwagenstromer in der Regel nur, wenn die Bedingungen perfekt sind:3 Relativ lange Haltedauer, hohe Jahreslaufleistung und möglichst viel Stadtverkehr, bei dem der Energieverbrauch des Stromers im Vergleich zu einem Verbrenner besonders günstig ausfällt.
Bei größeren Fahrzeugen hingegen könnten Elektroautos schon in einer Mehrheit der Fälle günstiger sein als Konkurrenzmodelle mit Verbrennungsmotor. Und genau dieser Frage wollen wir in drei Kategorien nachgehen:
I) Bei aktuellen Elektroautos der Kompaktklasse, II) bei aktuellen Elektroautos der Oberklasse und III) bei künftigen Elektroautos der Mittelklasse.
Die hier angestellten Berechnungen sollen dem Leser eigene Preisanalysen erleichtern: Wer ein günstigeres Fahrzeug kaufen will4, dafür aber zum Beispiel jährlich mehr Kilometer zurücklegt und seinen Wagen länger oder kürzer als 6 Jahre behalten will, kann einfach die hier bereitgestellten Zahlen entsprechend anpassen, um ein personalisiertes Ergebnis zu erhalten.
I) Preisbedingte Massentauglichkeit von Elektroautos der Kompaktklasse
Um die These zu überprüfen, Elektroautos der Kompaktklasse seien wegen ihres hohen Preises nicht massentauglich, werden wir angesichts der hohen Preissensibilität der Käufer in diesem Segment die einzelnen Kostenpositionen genau analysieren.
Zunächst einmal vergleichen wir die Anschaffungspreise5 einiger bereits heute verfügbarer Stromer dieser Kategorie mit denen vergleichbarer Verbrenner:
Ohne Elektroauto-Prämie von 4.000 EUR6
1 von 3 Stromern7 | Preis (EUR)8 | Verbrenner9 | Preis (EUR) | Aufpreis Stromer EUR / Prozent |
Nissan Leaf Tekna 30 kWh, BMW i3 60 Ah, VW e‑Golf (2016) |
Ø‑Preis: 34.90010 |
Audi A3 Sportback 1.6 TDI S tronic | 29.500 | +5.400 / +18% |
Golf 1.6 TDI BMT DSG Comfortline | 26.100 | +8.800 / + 34% | ||
Opel Astra 1.6 CDTi Dynamic | 26.300 | +8.600 / + 33% | ||
Ford Focus 1.5 TDCi Trend | 25.100 | +9.800 / +39% |
Mit der Elektroauto-Prämie von 4.000 EUR11 sieht es so aus:
Wenig überraschend stellen wir fest, dass Stromer ohne Prämie in der Anschaffung deutlich (18–39%) teurer sind als vergleichbare Dieselfahrzeuge.12 Mit Prämie reduziert sich der Aufpreis der Elektroautos auf 5–23% bzw. 1.400–5.800 EUR. Damit liegen unsere drei Stromer unter dem durchschnittlichen Preis, den Autokäufer in Deutschland 2016 für Neuwagen gezahlt haben.13
Um die Gesamtkosten der Fahrzeuge über einen bestimmten Zeitraum vergleichen zu können, müssen wir jedoch abgesehen von dem nur einmal anfallenden Anschaffungspreis auch die laufenden Unterhaltskosten untersuchen, die sich vor allem aus folgenden Posten zusammensetzen:
i) Antriebskosten
ii) Kfz-Steuer
iii) Versicherung
iv) Wartung
Zum Abschluss des Preisvergleichs nehmen wir dann noch den zu erwartenden Wiederverkaufswert in Augenschein.
Zur Ermittlung der laufenden Kosten (Punkte i bis iv) legen wir der Einfachheit halber eine durchschnittliche jährliche Fahrleistung deutscher Pkw von 15.000 km14 und eine durchschnittliche Haltedauer bei Neuwagen von 6 Jahren15 zugrunde.
i) Antriebskosten (Kraftstoff- zu Stromkosten)
Für den Vergleich der realen Antriebskosten stützen wir uns auf die durchschnittlichen Verbrauchswerte aus dem Spritmonitor16, da dieser Vergleichsangaben zu allen von uns betrachteten Modellen enthält.
Bei den Elektroautos legen wir den aktuellen Strompreis von 28,7 ct/kWh17 zugrunde, weil der Durchschnittspreis schon seit Jahren sehr stabil ist:18
Stromverbrauch/100 km laut Spritmonitor | Antriebskosten in 6 Jahren19 | |
BMW i3 | 14,95 kWh | 4.634 EUR |
VW e‑Golf | 16,90 kWh | 5.238 EUR |
Nissan Leaf | 16,53 kWh | 5.124 EUR |
Bei den Dieselautos sind Vorhersagen über die Antriebskosten in den kommenden sechs Jahren sehr schwierig, da der Ölpreis und damit auch die Spritpreise in Deutschland starken Schwankungen unterworfen sind. Daher berechnen wir die Kosten für 4 Szenarios.
Diesel-Verbrauch laut spritmonitor.de | Szenario 1:
Dieselpreis ~1,05 EUR |
Szenario 2:
Dieselpreis ~1,15 EUR |
Szenario 3:
Dieselpreis ~1,25 EUR |
Szenario 4:
Dieselpreis ~1,35 EUR |
Wahrscheinlichkeit20 |
||||
sehr unwahrscheinlich | eher unwahrscheinlich | wahrscheinlich21 | nicht auszuschließen | |
Audi A3: 6,01 l | 5.679 EUR22 | 6.220 EUR | 6.761 EUR | 7.302 EUR |
VW Golf: 5,60 l | 5.292 EUR | 5.796 EUR | 6.300 EUR | 6.804 EUR |
Opel Astra: 6,24 l | 5.897 EUR | 6.458 EUR | 7.020 EUR | 7.582 EUR |
Ford Focus: 5,78 l | 5.462 EUR | 5.982 EUR | 6.503 EUR | 7.023 EUR |
Bei Zugrundelegung des wahrscheinlichsten Dieselpreisszenarios ergibt sich folgendes Bild:
Bei den Antriebskosten sind die Stromer also deutlich günstiger. Bei Zugrundelegung des wahrscheinlichsten Dieselpreisszenarios holen sie etwa 1.100-2.400 EUR Mehrkosten wieder raus.
ii) Kfz-Steuer:23
Stromer: 0 EUR24
A3: 168 EUR/Jahr x 6 Jahre = 1.008 EUR
Golf: 166 EUR/Jahr x 6 Jahre = 996 EUR
Astra: 196 EUR/Jahr x 6 Jahre = 1.176 EUR
Focus: 150 EUR/Jahr x 6 Jahre = 900 EUR
Bei der Kfz-Steuer holen die Stromer noch einmal 900–1.200 EUR Mehrkosten raus.
iii) Versicherung und iv) Wartung
Nach den Angaben auf autokostencheck.de sind bei den Stromern die Kosten für Haftpflicht und Vollkasko sowie Wartung/Reparatur25 insgesamt in den meisten Fällen etwas niedriger als bei den Verbrennern:
Monatliche Kosten:
Nissan Leaf: 110 EUR
BMW i3: 98 EUR
e‑Golf: 107 EUR
A3: 113 EUR
VW Golf: 103 EUR
Opel Astra: 124 EUR
Ford Focus: 113 EUR
Hier fällt die Bilanz aufgrund der niedrigen Versicherungskosten des herkömmlichen Golf gemischt aus: Während der Diesel-Golf über 6 Jahre gesehen bis zu 500 EUR günstiger wäre als der teuerste Stromer, sind die anderen Verbrenner bis zu 1.900 EUR teurer als der i3.
Was den Wertverlust betrifft, so deuten die bisher vorliegenden Daten darauf hin, dass Elektroautos der Kompaktklasse unter normalen Umständen einen ähnlichen Wertverlust verzeichnen wie vergleichbare Verbrenner.26 Der Einfachheit halber gehen wir daher davon aus, dass alle betrachteten Fahrzeuge nach 6 Jahren und 90.000 km 60% ihres Ursprungswerts verloren haben.27
Stromer | Restwert | Wert-verlust | Verbrenner | Rest-wert | Wert-verlust |
Nissan Leaf
BMW i3 VW e‑Golf |
ohne Prämie: 14.000 EUR mit Prämie: 12.400 EUR |
ohne Prämie: -20.900 EUR mit Prämie: ‑18.500 EUR |
Audi A3 sport 1.6 TDI | 11.800 EUR | -17.700 EUR |
Golf 1.6 TDI BMT DSG Comfortline | 10.400 EUR | -15.700 EUR | |||
Opel Astra 1,6 CDTi Dynamic | 10.500 EUR | -15.800 EUR | |||
Ford Focus 1,5 TDCi Trend | 10.000 EUR | -15.100 EUR |
Somit läge der Restwert eines solchen Stromers nach 6 Jahren ohne Prämie noch rund 1.800–4.000 EUR über dem der Vergleichsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor und mit Prämie 600–2.400 EUR. Diesen höheren Restwert müssen wir am Ende ebenfalls von den Mehrkosten der Anschaffung abziehen.
Hier nochmal alle oben aufgeführten Kostenpositionen in der Gesamtübersicht:
Kostenbilanz Elektroauto | Stromer ohne Prämie vs Verbrenner |
Stromer mit Prämie vs Verbrenner |
Mehrkosten Anschaffung | + 5.400–9.800 EUR | + 1.400–5.800 EUR |
Antriebskosten | - 1.100–2.400 EUR | - 1.100–2.400 EUR |
Kfz-Steuer | - 900–1.200 EUR | - 900–1.200 EUR |
Versicherung&Wartung | + 500–1.800 EUR | + 500–1.800 EUR |
Höherer Restwert | - 1.800–4.000 EUR | - 600–2.400 EUR |
Kostenvorteile gesamt | - 3.300–9.400 EUR | - 2.100–7.800 EUR |
Bildlich gesprochen schneiden Stromer mit Prämie nach sechs Jahren also so ab:
FAZIT
Somit ist ersichtlich, dass sich die zurzeit erhältlichen Elektroautos der Kompaktklasse aus finanzieller Sicht für den durchschnittlichen deutschen Autofahrer schon ohne Prämie in einigen Fällen lohnen, da die bei der Anschaffung anfallenden Mehrkosten von rund 5.400–9.800 EUR unterm Strich nach 6 Jahren und 90.000 km bei bestimmten Konstellationen wieder rausgefahren werden. Das setzt jedoch voraus, dass i) der Dieselpreis in den kommenden 6 Jahren tatsächlich im Durchschnitt (mindestens) bei 1,25 EUR liegt und ii) die Restwertentwicklung des gewählten Stromers im konkreten Fall tatsächlich (zumindest) der des als Alternative in Betracht gezogenen Verbrenners entspricht — was vor dem Kauf geprüft werden sollte, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden.
Sollte der Dieselpreis stärker steigen oder die Restwertentwicklung von Elektroautos positiver ausfallen als von uns angenommen, würde das die Verhältnisse natürlich noch entsprechend zugunsten der Stromer verschieben.
Wer die Prämie von 4.000 EUR beim Kauf eines Elektroautos erhält - und mit einer Erschöpfung des Prämienbudgets bis Ende Juni 2019 ist momentan absolut nicht zu rechnen28 -, für den ist ein Kompaktklassen-Stromer in einer Mehrheit der Fälle günstiger als ein entsprechender Verbrenner, da die zu erwartenden Einsparungen im Durchschnitt höher sind als die Mehrkosten bei der Anschaffung.
Besonders schnell würde sich ein Elektroauto natürlich für Vielfahrer mit passendem Fahrprofil (z.B. Pendler, die täglich nicht mehr als 150 km zurücklegen) rechnen: Bei einer jährlichen Fahrleistung von 30.000 km könnten sie dank der erheblich niedrigeren Antriebskosten selbst ohne Prämie schon nach rund 4 Jahren in die Gewinnzone fahren, mit 4.000 EUR Kaufprämie sogar bereits nach 2 bis 3 Jahren. Bei Vielfahrern könnte sich der Stromer noch mehr lohnen, wenn sie entweder z.B. am Arbeitsplatz umsonst laden können — dies muss nicht mehr als geldwerter Vorteil versteuert werden - oder aber einen erheblichen Anteil Stop-and-Go-Verkehr haben, bei dem Stromer viel verbrauchseffizienter sind als herkömmliche Verbrenner.
ADAC-Vergleichstest
Der ADAC zieht nach einem Anfang 2016 durchgeführten Vergleichstest zu den Kosten von Stromern und Verbrennern ein anderes Fazit, nämlich dass Elektroautos selbst mit einer Prämie von 5.000 EUR noch teurer wären als vergleichbare Verbrenner.29 Die Berechnungen des ADAC stehen jedoch auf tönernen Füßen, denn sie beruhen auf i) einer Haltedauer von nur 4 Jahren, obwohl die durchschnittliche Haltedauer von Neuwagen in Deutschland 5,6 Jahre beträgt (s.o.), ii) den Kraftstoffpreisen von Anfang 2016 (z.B. Diesel: 1,00 EUR!), obwohl sich diese damals auf einem historischen Tiefstand befanden, der längst überholt ist (s.o.), iii) dem jeweiligen Normverbrauch der Fahrzeuge, obwohl der tatsächliche Mehrverbrauch bei Verbrennern (erheblich) größer ist als bei Stromern (Stichwort: Mauscheleien und Betrug am Prüfstand), iv) der unbewiesenen Behauptung, der Wertverlust von Stromern sei — auch wenn man den höheren Anschaffungspreis herausrechnet — (erheblich) größer als der von Verbrennern.30
Wenn man sich die Detailergebnisse des ADAC31 einmal genauer ansieht, kann man jedoch feststellen, dass selbst bei diesen verzerrenden, Elektroautos benachteiligenden Annahmen die dort angenommene Prämie von 5.000 EUR de facto ausreicht, um ihre Preise in vielen Fällen konkurrenzfähig zu machen. Denn umgerechnet auf die vom ADAC zugrundegelegte 4‑Jahres-Laufleistung von 60.000 km sinken durch diese Prämie die Kilometerkosten der Stromer um 6,67 EURct, so dass bei immerhin jedem dritten der ADAC-Vergleiche ein Stromer die Nase vorn hätte (4 von 12).
Der Autokostenvergleich 2017 des ADAC fällt leider kaum realistischer aus. Zwar wurde (bei unveränderter Jahreslaufleistung von 15.000 km) die durchschnittliche Haltedauer von 4 auf 5 Jahre und beispielsweise der Dieselpreis von absolut realitätsfernen 1,00 EUR auf 1,15 EUR angehoben, jedoch liegen beide Werte nach wie vor unterhalb einer vernünftigen Annahme (s.o.). Außerdem wurden die Antriebskosten erneut auf Basis des unrealistischen Normverbrauchs ermittelt, und die Annahmen zur Wertentwicklung lassen sich aus den weniger detaillierten Daten leider nicht mehr ablesen — wobei davon auszugehen ist, dass für Verbrenner trotz der bis 2022 zu erwartenden weiteren Restriktionen kein Preisabschlag eingerechnet wurde.
Trotz dieser anhaltenden Benachteiligung von Elektroautos haben bei immerhin 6 von 27 ADAC-Vergleichen die Stromer gewonnen, was insbesondere in Anbetracht eines anfänglichen Aufpreises von bis zu 9.000 EUR bemerkenswert ist.
Somit kann festgestellt werden, dass die betrachteten Kompaktklassen-Stromer es durch die deutsche Kaufprämie selbst bei (unrealistisch!) negativen Annahmen in einigen Fällen mit Vergleichs-Verbrennern aufnehmen können. Bei realistischen Annahmen hingegen fährt man auch mit einer Prämie von nur 4.000 EUR mit einem Stromer in einer Mehrheit der Fälle zumindest etwas günstiger.
Bei ähnlichem Preis hat man letztlich also die Wahl, ob man auf die größere Reichweite (die die meisten Autofahrer in Deutschland letztlich nur an wenigen Tagen im Jahr brauchen) verzichten kann, um dafür im Alltag mit mehr Fahrspaß und (angesichts der geringeren CO2-Emissionen) auch mit einem besseren Gewissen unterwegs zu sein.

II) Preisbedingte Massentauglichkeit von Elektroautos der Oberklasse
In diesem zweiten Teil wollen wir prüfen, ob Elektroautos der Oberklasse aufgrund ihres mutmaßlich zu hohen Preises nicht massentauglich sind.
Da die Käufer von Pkw der Oberklasse bei weitem nicht so preissensibel sind wie die Käufer von Kompaktklassenfahrzeugen und sicherlich vor dem Kauf ihrer rund 100.000 EUR teuren Luxuslimousine zumeist kaum auf die Unterhaltskosten schauen, werden wir uns in der Preisanalyse auf den Anschaffungspreis konzentrieren.
Vergleichen wir also den Preis des wichtigsten Elektroautos der Oberklasse, des Tesla Model S, mit einigen derselben Kategorie zuzuordnenden Modellen mit Verbrennungsmotor:32
Wir sehen also, dass der Oberklassenstromer exakt in derselben Preisklasse rangiert wie seine Verbrenner-Konkurrenz. Somit dürfte der Preis nicht als Argument gegen die Massentauglichkeit von Elektroautos der Oberklasse taugen.
Auch beim Wiederverkaufswert braucht sich das Model S nicht vor der herkömmlich angetriebenen Konkurrenz zu verstecken: In der Anfangszeit sah sich Tesla noch genötigt, das Vertrauen der Kunden in die Wertentwicklung des Model S zu stärken, und bot seinen Kunden deshalb von Mai 2013 bis Juni 2016 an, gebrauchte Model S nach 3 Jahren zu einem Kurs von 50% des Preises des Basismodells plus 43% des Werts der Sonderausstattungen zurückzukaufen.33 Dieses Preisgarantieprogramm wurde jedoch im Juli 2016 eingestellt, da die tatsächliche Wertentwicklung des Model S besser ist als die bis dato gewährte Garantie — und als die der Konkurrenzfahrzeuge: Nach drei Jahren liegt der Restwert des Oberklassestromers bei 57,2% — gegenüber 50,5% bei den Konkurrenzmodellen mit Verbrennungsmotor.34
Um zu überprüfen, wie sich diese Preis- und Wertentwicklungszahlen beim tatsächlichen Absatz niederschlagen, werden wir im Folgenden die Entwicklung der Verkaufszahlen von Oberklassestromern auf einigen der wichtigsten Elektroautomärkte der Welt analysieren.
Während Elektroautos der Oberklasse in China, dem größten Elektroautomarkt der Welt,35 aus verschiedenen Gründen kaum eine Rolle spielen,36 kommt das Model S von Tesla in den USA, auf dem zweitgrößten Elektroautomarkt, im Stromersegment auf einen Anteil von fast 22%. Denn von den 115.000 Elektroautos, die 2015 in den USA verkauft wurden, handelte es sich bei mehr als 25.000 um das Model S.
Wenn man die Entwicklung der Absatzzahlen der wichtigsten Oberklassemodelle in den USA 2014–2015 betrachtet, zeigt sich folgendes frappierendes Bild:37
Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass es Tesla mit dem Model S binnen drei Jahren (Verkauf seit Juni 2012) gelungen ist, den gesamten Oberklassenmarkt in den USA aufzurollen. Denn während alle anderen Verbrenner-Vergleichsmodelle von 2014 auf 2015 erhebliche Absatzeinbußen von durchschnittlich gut 11% hinnehmen mussten, legten die Verkäufe des Model S um rund 50% zu.
Wer glaubt, das sei nur ein Strohfeuer gewesen — der irrt. Denn im dritten Quartal 2016 sahen die Absatzzahlen in der US-Oberklasse folgendermaßen aus:38
Demnach legte der Model-S-Absatz im Sommer 2016 von dem bereits hohen Niveau aus dem Vorjahr noch einmal um fast 60% zu, während die meisten Konkurrenzmodelle erneut zweistellige Absatzeinbußen verzeichneten (diesmal von durchschnittlich 22%!). Einzige Ausnahmen waren der 6er und der 7er BMW, doch dies beruht größtenteils auf außergewöhnlich schwachen Verkaufszahlen im dritten Quartal 2015.39 Der BMW 7er profitierte zudem (ebenso wie das Model S selbst) von dem üblichen Verkaufsboom nach Erscheinen des neuen Modells im Oktober 2015.
Dadurch erhöhte sich der Marktanteil des Tesla Model S in der US-Oberklasse von gut 25% im Vorjahr auf nunmehr 34% — und das, obwohl mit den Maseratis zwei zusätzliche, neue Wettbewerber in den Vergleich einbezogen wurden. Besonders beeindruckend ist, dass Tesla damit im dritten Quartal 2016 in den USA mehr Fahrzeuge des Model S verkauft hat, als von den DREI absatzstärksten Konkurrenzmodellen zugelassen wurden: Von BMW 7er, MB S‑Klasse und CLS-Klasse wurden zusammen nur knapp 8.500 Fahrzeuge verkauft.40

Bei dieser Entwicklung spielen sicherlich auch die in den USA gewährten Steuervorteile eine gewisse Rolle: Für die ersten 200.000 Elektroautos, die jeder Autohersteller in den USA verkauft, wird eine Steuerermäßigung in Höhe von 7.500 USD gewährt, anschließend sinkt der Steuervorteil zweimal für je 6 Monate um 50%, bevor für Autos dieses Herstellers keine Prämie mehr gewährt wird.41 Da diese Schwelle bei Tesla (Roadster und Model S) aufgrund der relativ geringen Stückzahlen noch nicht erreicht ist, haben alle bisherigen Model-S-Käufer in den USA diesen Steuervorteil erhalten, so dass für sie dieser Stromer bereits in der Anschaffung oftmals günstiger gewesen sein dürfte als ein vergleichbar ausgestatteter Wagen mit Verbrennungsmotor.
Aber selbst nach Auslaufen der Stromerprämie in den USA muss sich Tesla wohl keine Sorgen um seinen dortigen Absatz machen. Denn mit einer Reichweite von real rund 370 km, einem immer dichteren Netz von Schnellladestationen und an strategischen Standorten installierten zusätzlichen Ladestellen42 und nicht zuletzt Alleinstellungsmerkmalen wie dem fortgeschrittenen Autopiloten und eben dem Prestige- und Umweltvorteil des Stromantriebs dürfte das Model S bei der liquiden Käuferschicht auch nach Wegfall der Steuervorteile hoch in der Gunst stehen.
Dass das Model S sich auch ohne staatliche Förderung gegen die Konkurrenz durchsetzen kann, zeigt die Entwicklung in der Schweiz: Dort verkaufte Tesla 2015 auch ohne staatliche Anreize mehr Model S als die GESAMTsumme der Verkäufe von Mercedes S‑Klasse, BMW 7er, Porsche Panamera und Audi A8 zusammengenommen. Der Absatzzuwachs gegenüber dem Vorjahr: 213%!43 Und im ersten Quartal legten die Model-S-Verkäufe noch einmal um 117% gegenüber dem Vorjahresquartal zu.44
Auch in der Gesamtregion Westeuropa hatte das Model S im Jahr 2015 die Nase vorn und ließ den langjährigen Spitzenreiter, die Mercedes S‑Klasse, mit einem Absatz von 15.787 zu 14.990 erstmals hinter sich.45 Und in ganz Europa verkaufte Tesla immerhin schon mehr Model S als die Summe von Audi A7 + A8 bzw. BMW 6er + 7er.46
FAZIT
Somit ist festzustellen, dass es Tesla gelungen ist, den seit Jahr(zehnt)en recht statischen Oberklassenmarkt in den USA und in Europa innerhalb von nur drei Jahren vollkommen auf den Kopf zu stellen — und ein Ende dieses Siegeszugs ist nicht abzusehen. Tesla hat also zunächst im Topsegment bewiesen, was lange keiner der herkömmlichen Hersteller für möglich gehalten hatte: dass Elektroautos sehr wohl massentauglich sind und schon viel früher als gedacht Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf breiter Front vom Markt verdrängen können.
Nächstes Ziel von Tesla: dieses Kunststück auf dem viel größeren Mittelklassemarkt wiederholen.

III) Ausblick: Preisbedingte Massentauglichkeit der künftigen Generation von Elektroautos der Mittelklasse
In Anbetracht der Marktumwälzung, die das Model S von Tesla in vielen wichtigen Regionen der Welt hervorgerufen hat, ist damit zu rechnen, dass das für Ende 2017 angekündigte Model 3 eine ebensolche Entwicklung in der Premium-Mittelklasse47 auslösen kann.
Dafür sprechen nicht nur die 325.000 (wenngleich unverbindlichen) Vorbestellungen, die innerhalb einer Woche nach der Präsentation bei Tesla eingegangen sind48, sondern auch die Tatsache, dass das Model 3 aus finanzieller Sicht gegenüber Vergleichsmodellen der Mittelklasse äußerst konkurrenzfähig sein dürfte:
i) Anschaffungspreis
Vergleichsfahrzeuge | Listenpreis in EUR49 |
Tesla Model 3 | ab ca. 36.000 (mit Prämie)
bzw. 40.000 (ohne)50 |
Audi A4 | 31.000 bis 52.000 |
BMW 3er Limousine | 30.500 bis 52.500 |
BMW 3er GranTurismo | 38.000 bis 56.000 |
BMW 4er Coupé | 37.000 bis 56.000 |
Mercedes CLA Coupé | 29.500 bis 57.000 |
Mit einer Elektroauto-Prämie von 4.000 EUR ist das Tesla Model 3 also in der Anschaffung noch rund 5.000 bis 6.500 EUR teurer als die günstigsten von den drei wichtigsten deutschen Premiumherstellern angebotenen Einstiegsmodelle der Mittelklasse.
ii) Betriebskosten
Da für die künftigen Fahrzeugmodelle noch keine Detailangaben zu den Betriebskosten vorliegen, ziehen wir die oben für die Kompaktklasse ermittelten Kostenvorteile eines Elektroautos bei einer Haltedauer von 6 Jahren und einer jährlichen Fahrleistung von 15.000 km heran und addieren in Anbetracht der höheren Betriebskosten von Mittelklassefahrzeugen einen geschätzten Aufschlag von 30%.
Betriebskostenvorteile Stromer | |
Kompaktklasse (s. o.) | 1.500–5.400 EUR |
Mittelklasse (+30%) | 2.000–7.000 EUR |
Somit hätten Käufer des Tesla Model 3 nach 6 Jahren und 90.000 km Kostenvorteile von durchschnittlich 4.500 EUR gegenüber einem vergleichbaren Verbrenner reingefahren. Zieht man diesen Kostenvorteil vom Anschaffungspreis ab, wird deutlich, dass das Model 3 dann preislich selbst mit den günstigeren der Premium-Mittelklassemodelle mit Verbrennungsmotor mithalten kann.
Außerdem hat Tesla-CEO Elon Musk am 20. Juli 2016 in seinem zweiten Masterplan51 erläutert, wie sich die Kostenbilanz des Model 3 noch ganz erheblich verbessern ließe: Wenn man es nicht benötigt, lässt man es autonom fahren und als eine Art Carsharing-Taxi Geld für einen verdienen. Angesichts der stetigen Verbesserungen und der Ankündigungen in Bezug auf die weitere Entwicklung sogenannter Autopiloten könnte das aus technischer und rechtlicher Hinsicht bereits etwa im Jahr 2020 möglich sein. Nach Ansicht von Elon Musk erübrigt sich durch diese Zuverdienstmöglichkeiten für Tesla sogar die Entwicklung eines noch kleineren und kostengünstigeren Elektroautomodells, da sich dadurch praktisch jeder einen Tesla leisten können werde.52
Absatzpotenzial in Deutschland
Wenn man abgesehen von dieser “Zukunftsmusik” davon ausgeht, dass ein erheblicher Anteil der heutigen Käufer der konkurrierenden Verbrenner im Alltag auch mit einer realen Reichweite von rund 300 km auskäme (oder für eine höhere Reichweite noch ein paar Tausend Euro lockermachen würde), könnte schon wenige Jahre nach der realistisch wohl für 2018 zu erwartenden Markteinführung des Model 3 ein erheblicher Anteil der mehr als 200.00053 jährlich allein in Deutschland abgesetzten Premium-Mittelklassewagen auf den Stromer von Tesla entfallen.
Absatzpotenzial auf dem Weltmarkt
Weltweit ist das Absatzpotenzial natürlich noch weitaus größer:
- Vom BMW 3er werden jährlich gut 470.000 Modelle abgesetzt54 und vom 4er 110.000.55 Da von der Kofferraum- bzw. Fahrzeuggröße her neben den Käufern der Limousine auch einige Käufer der Kombi- und der GT-Version mit dem Model 3 von Tesla auskommen dürften, würde nach den Zahlen von bimmertoday schätzungsweise 65% der 3er-Käuferschaft auch der vermutlich etwas kleinere56 Stromer reichen. Hinzu kämen noch rund 60% der Käufer von BMW 4ern (Coupé-Kunden und ein paar andere). Das Abwerbepotenzial für Tesla läge somit beim BMW 3er und 4er bei bis zu 370.000 Fahrzeugen im Jahr.
- Von der Mercedes C‑Klasse werden jährlich rund 450.000 Modelle abgesetzt.57 Wenn auch hier rund 65% der Käuferschaft mit dem vermutlich etwas kleineren Model 3 von Tesla auskämen, läge das Abwerbepotenzial für Tesla bei der C‑Klasse bei rund 290.000 Fahrzeugen im Jahr.
- Vom Audi A4 werden jährlich rund 350.000 Modelle abgesetzt.58 Wenn auch hier rund 65% der Käuferschaft mit dem vermutlich etwas kleineren Model 3 von Tesla auskämen, läge das Abwerbepotenzial für Tesla beim A4 bei rund 230.000 Fahrzeugen im Jahr.
Allein bei den Käufern dieser drei Premiummodelle der Mittelklasse könnte Tesla mit dem Model 3 also theoretisch rund 900.000 Fahrzeuge im Jahr absetzen. Da allerdings außerdem damit zu rechnen ist, dass auch Käufer von kleineren bzw. SUV-Modellen dieser drei Premiumhersteller (BMW 1er/X1/2er, Mercedes A‑Klasse/GLA/B‑Klasse, Audi A1/Q2/A3) sowie Käufer von vergleichbaren Fahrzeugen anderer Hersteller mit teils weit höheren Verkaufszahlen (wie VW Golf/Passat, Opel Astra/Insignia, Ford Focus/Mondeo, Skoda Superb oder Volvo V40/V60 ) auf einen attraktiven Mittelklassestromer wie das Model 3 umsteigen könnten, steht fest: Die potenzielle Käuferschaft für den Stromer könnte letztlich sogar gut und gerne doppelt so groß sein.
Das Model 3 als Firmenwagen
Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass das Model 3, anders als das Model S, vom Preis her auch für zahlreiche Angestellte als Firmenwagen in Betracht kommt:
“Statistisch relevanter ist sicher die Gehaltsbandbreite von 50.000 bis 90.000 Euro, in der sich die meisten Dienstwagenfahrer aufhalten dürften. Hier werden durchschnittlich 35.000 – 40.000 Euro vom Arbeitgeber für einen Dienstwagen locker gemacht. [Bei Führungskräften] liegt der durchschnittliche Bruttolistenpreis […] um 47.000 Euro. Die meisten Firmen scheinen Wert darauf zu legen, dass ihre Führungskräfte standesgemäß motorisiert sind. Wer noch nicht in den Führungszirkel aufgestiegen ist, muss sich mit weniger bescheiden. Hier liegt der Durchschnittspreis bei rund 33.000 Euro.”59
Angesichts der viel geringeren Betriebskosten von Elektroautos — gemäß obigen Berechnungen ist mit dem Model 3 eine Ersparnis von fast 1.000 EUR pro Jahr gegenüber den Konkurrenzfahrzeugen zu erwarten — könnte also selbst für die letztgenannte geringerverdienende Angestelltengruppe ein Model-3-Einstiegsmodell drin sein. Außerdem können Arbeitnehmer, die sich als Dienstwagen für ein Elektroauto entscheiden, zudem auch noch pauschal zugrunde gelegte Mehrkosten eines Stromers vom Listenpreis des Autos abziehen, so dass für sie der zu versteuernde geldwerte Vorteil entsprechend sinkt.60 Und wenn sie ihr Elektroauto beim Arbeitgeber aufladen, gilt das nicht mehr als geldwerter Vorteil.61
Wenn Drei sich streiten, freut sich der Vierte
Und nun stelle man sich vor, was passieren würde, wenn das Model 3 bei einer potenziellen Marktgröße von vorsichtig geschätzten 1,8 Millionen Fahrzeugen im Jahr — ebenso wie es seinem großen Bruder, dem Model S gelungen ist — binnen drei Jahren nach Verkaufsstart einen (vorsichtig veranschlagten62) Marktanteil von 25% erreichen würde, während die drei traditionellen Premiumhersteller BMW, Mercedes und Audi Absatzeinbußen im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen müssten: Dann hätte Tesla mit rund 450.00063 jährlich verkauften Model 3 das Kunststück vollbracht, auch dieses viel volumenstärkere Segment des weltweiten Pkw-Marktes durch Überflügelung der drei traditionellen Platzhirsche innerhalb kürzester Zeit auf den Kopf zu stellen — und der Massenverbreitung der Elektromobilität so gemäß dem von Anfang an64 proklamierten Ziel von Tesla den Weg geebnet.
Wenn Tesla das tatsächlich innerhalb von drei Jahren nach Verkaufsstart schafft, würden wir das Jahr 2021 schreiben — so dass wir bereits im nächsten Jahrzehnt eine Revolution auf dem weltweiten Automobilmarkt erleben könnten.
Deutsche Hersteller lenken ein — gerade noch rechtzeitig?
Nachdem die traditionellen Autohersteller beim Thema Elektromobilität jahr(zehnt)elang auf der Bremse gestanden hatten, um ihrem eigenen Kerngeschäft nicht das Wasser abzugraben, haben sie angesichts der Fortschritte und Erfolge von Tesla sowie nicht zuletzt des Abgasskandals nun endlich die Zeichen der Zeit erkannt: Um bei den anstehenden Umwälzungen auf dem Massenmarkt nicht auf eine hilflose Zuschauerrolle beschränkt zu sein, haben namhafte Hersteller wie Ford, VW und Mercedes seit Ende 2015 einen Strategiewechsel angekündigt:
- Ford will 4,5 Mrd. EUR investieren, um bis 2021 13 Elektromodelle zu entwickeln und Marktführer auf dem Elektroautomarkt zu werden.65. Mit diesem Ziel steht Ford aber nicht alleine da…
- Der Volkswagenkonzern plant im Rahmen der “Strategie 2025”, eine eigene Batteriefabrik zu bauen, um spätestens 2025 pro Jahr eine Million66 oder sogar 2–3 Millionen67 Elektroautos auf die Straße bringen zu können. Die Wolfsburger wollen bereits “2018 Marktführer in der E‑Mobilität werden”.
- Mercedes-Benz beabsichtigt, bis 2018 zunächst vier neue Stromer auf den zu Markt bringen, die allerdings mit Preisen ab 90.000 EUR zunächst wohl nur das Model S von Tesla angreifen sollen (ebenso wie der E‑Phaeton) bzw. das Model X (wie der Audi Q6 e‑tron).68 Längerfristig will Mercedes-Benz für seine Strommodelle (ähnlich wie BMW mit der bislang noch spärlich besetzten i‑Reihe) eine eigene Marke namens “EQ” aus der Taufe heben, die letztlich Fahrzeuge aller Klassen umfassen könnte. Die entsprechenden Markenrechte für EQA, EQB usw. hat sich der Konzern offenbar bereits gesichert.69
Wir dürfen also gespannt sein, was sich ab 2018 auf dem Elektroautomarkt tut. Wird Tesla tatsächlich auch im Mittelklassensegment massive Marktanteile erobern, wie derzeit zu erwarten ist, oder kriegen die traditionellen Hersteller mit attraktiven neuentwickelten Modellen doch noch rechtzeitig die Kurve?
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- Reichweite
- Akku-Lebensdauer
- CO₂-Emissionen
- Energieeffizienz
- Alternative Wasserstoffauto
- Porträt zum Tesla-CEO Elon Musk: Vom Jugendherbergsduscher zum Multimilliardär und Weltretter. Wie er das geschafft hat, lest ihr hier.
Quellen:
Abbildung 1 (Titelbild): e‑Golf ©2014 California Air Resources Board70, BMW i3 ©2013 Car leasing made simple71, Nissan Leaf ©2014 jaxbot72
Abbildung 5: ©2016 Tesla Motors, Fotograf: Alexis Georgeson73
Abbildung 9: ©2016 Marcel Mansfeld
Abbildung 10: ©2016 Tesla Motors, Fotograf: Alexis Georgeson74
Das Tesla Model S wird der Luxusklasse zugerechnet, weil es in deren Preisliga spielt. Daraus kann man nicht folgern, dass das Auto eine vergleichbare Qualität (Ausstattung usw.) erreicht, insoweit also preislich gleichwertig wäre, wenn man den Umstand des Elektroantriebs außen vor ließe.
Vielmehr konkurriert es mit den entsprechenden Autos anderer Hersteller um bestimmte Kunden, weil diese sich eben ein Auto in der entsprechenden Preisklasse leisten können.
Um ein Beispiel zu nennen, wenn der Tesla S mehr einem 5‑er BMW entsprechen sollte, wäre er natürlich einiges teurer, würde aber ohnehin nicht die 5‑er Käufer ansprechen, sondern muss den bisherigen 7‑er Kunden gefallen; d.h. sie müssen bereit sein, diesen Mehrpreis für den elektrischen Antrieb (und die damit verbundenen Vorteile bei Laufruhe und Prestige usw.) aufzuwenden.
Im übrigen wäre nicht auszuschließen, dass der Markt nach z.B. 2 Jahren mit 25% Marktanteil der Neuwagen (!) gesättigt wäre. Wenn z.B. 8% derjenigen, die einen Luxuswagen neu kaufen (können), und jeweils im Schnitt 6 Jahre fahren, ein E‑Auto bevorzugen, gäbe es bereits nach 2 Jahren genügend Autos im Betrieb, um die 8% Anteil abzudecken. Bislang ist also lediglich ein nachhaltiges Marktpotential von knapp 10% im Luxussektor nachgewiesen.
Bei den Betriebskosten ist zu beachten, dass der Strom an Ladesäulen wesentlich teurer sein wird. Die Rechnung gilt nur für die Besitzer von privaten Stromanschlüssen, die mit dem Stromanschluss der Wohnung an einem Zähler hängen, oder ähnlicher Lösung im Büro.
Mit eigener Solarstromversorgung ist der Strom andererseits billiger, aber nur dann, wenn in der entsprechenden Zeit der Stromproduktion auch geladen werden kann.
Zum Verkaufspotential des Model S:
Meines Erachtens lässt der Marktanteil des Model S von 25% bzw. sogar 34% in der US-Luxusklasse durchaus darauf schließen, dass in etwa diese Höhe auch nachhaltig ist (mit gewissen Abstrichen, weil einige Käufer nach der bald anstehenden Verringerung bzw. Streichung der Elektroautoprämie für Tesla-Fahrzeuge wegfallen dürften). Denn wenn die durchschnittliche Haltedauer bei knapp 6 Jahren liegt, wird nach den von Ihnen genannten 2 Jahren kaum einer dieser Neuwagen auf dem Gebrauchtmarkt verfügbar sein — und jeden Monat kommen neue Kunden auf den Markt, die sich nach knapp 6 Jahren nach einem neuen Luxusschlitten umsehen, der ordentlich was hermacht.
Zum Preis des Stroms an Ladesäulen:
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Preis des Stroms an öffentlichen Ladesäulen für die meisten Elektroautofahrer viel unwichtiger ist als der Kraftstoffpreis für Verbrennerfahrer, weil die allermeisten Elektroautofahrer entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz eine “private” Lademöglichkeit haben werden. Sie sind also im Alltag versorgt und müssen nur bei ausnahmsweise unternommenen längeren Fahren auf öffentliche Ladesäulen zurückgreifen.
Bei unserer jüngsten Ausfahrt mit einem Elektroauto konnten wir uns vom Gegenteil überzeugen: Bei EWE mussten wir nur 3,90 Euro für eine volle Stunde bezahlen (per SMS). Bei einer Ladeleistung von 22 KW ist das sehr günstig. Und die restlichen von uns angesteuerten Ladestationen waren sogar allesamt kostenlos. Langfristig ist aber damit zu rechnen, dass sich der Strompreis an den Ladesäulen aufgrund des Wettbewerbs in etwa auf dem Niveau des durchschnittlichen Strompreises einpendelt, wobei er aufgrund der Installationskosten der Säulen (die allerdings nunmehr staatlich subventioniert werden) etwas darüber liegen könnte.
Beim Aufladen darf man sich natürlich nicht so dusselig anstellen wie der Testfahrer von AutoBild, der Anfang 2017 “exklusiv berichtete”, dass das Aufladen eines schnellladeunfähigen E‑Golf, der nur für eine AC-Ladeleistung von 3,7 kW ausgelegt ist, an Ladesäulen, an denen ladezeitabhängig abgerechnet wird, extrem teuer ist. Wenn er stattdessen mit 22 kW geladen hätte, hätte er pro kWh auch nur ein Sechstel gezahlt, also rund 3,50 EUR statt 20 EUR für 100 km Fahrt (rund 15 kWh, also ca. 0,23 EUR/kWh).
Der US-Hersteller Tesla setzt mit seinen Superchargern auf eine Insellösung — und berechnet an seinen superschnellen Ladestationen (120 kW Ladeleistung) von Land zu Land unterschiedliche, aber durchweg moderate Gebühren, in Deutschland beispielsweise 0,34 EUR pro Minute bei einer Ladeleistung von über 60 kW und 0,17 EUR pro Minute bis 60 kW. Wenn man also die normale SC-Leistung von 120 kW abrufen kann und somit innerhalb von 30 Minuten 60 kWh lädt, kostet das nur gut 10 EUR bzw. 0,17 EUR pro kWh, also etwas mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Strompreises in Deutschland.
Die Vergleiche hinken auch an anderer Stelle. Derzeit am Sinnvollsen und am Einfachsten ließen sich Benziner (nicht Diesel), die als Zweitwagen genutzt werden durch E‑Autos ersetzen: gerade die fahren nur wenige Kilometer. Und gerade bei denen sind E‑Autos viel teurer.
Ich fahre derzeit als Zweitwagen einen VW Fox, kleinster Motor, ca. 6000km im Jahr, Anchaffung kostet ca. 10000€, hätte sogar eine Garage mit Stromanschluss, wäre also ideal für ein E‑Auto, wenn nicht der hohe Preis wäre.
Ob der Wiederverkaufspreis bei der aktuell schnellen Entwicklung in dem Bereich E‑Autos und Akkus so hoch sein wird wie im Artikel vermutet, glaube ich nicht. Wer kauft schon ein 4–8 Jahre altes E‑Auto mit Akku von 2016/17 wenn die Akku-Kapazität in wenigen Jahren sehr viel besser sein wird?
Ihr Einwand bezüglich der Zweitwagen ist durchaus berechtigt, aber wir erwähnen in unserem Artikel bereits, dass die aktuellen Elektro-Kleinwagen (um die es sich bei den meisten Zweitwagen handeln dürfte) eben wegen der hohen Akkukosten sowie anderer Umstände zurzeit preislich noch nicht konkurrenzfähig sind. Mit dem e.GO Life, der 2018 für 12.000 EUR nach Abzug der Umweltprämie auf den Markt kommen soll, könnte sich das aber ändern. Im Interesse aller Großstadtbewohner ist zu hoffen, dass dieses und ähnliche Fahrzeuge das Zweitwagensegment in naher Zukunft umkrempeln werden.
Wir wollen in unserem Artikel aber ohnehin in erster Linie aufzeigen, dass sich Stromer für viele Deutsche als ERSTwagen lohnen können.
Was den Wiederverkaufswert betrifft, so sollten sich auch heutige Käufer von Neuwagen mit Verbrennungsmotor keine Illusionen machen. Denn in Anbetracht der aktuellen Diskussionen über Innenstadt-Fahrverbote für EURO-5-Diesel (die noch bis 2015 verkauft wurden) und des zu erwartenden Umstiegs auf Real-Driving-Emission-Tests könnten selbst nagelneu entwickelte Verbrennungsmotoren des Jahres 2017 beim Verkauf in 3–5 Jahren, also 2020 bis 2022 schon “ganz alt” aussehen, während gebrauchte Stromer mit dann vergleichsweise geringer Reichweite dazu beitragen könnten, die oben angesprochene Nachfrage nach günstigen Elektro-Zweitwagen für die Stadt zu bedienen…
Als erstwagen ???? Nie und nimmer. Wenn wir die Oma besuchen sind es 400 km den Stress mit Kindern geben wir uns nicht. Nach Italien ? Mietwagen? Wer zahlt den für zwei Wochen. Wo sollen wir laden ? Keine Garage vorhanden . 2 og. Sollen wir ein Kabel aus dem Fenster hängen ?
Noch zwei weitere Anmerkungen:
— Bei der Laufleistung würden sich nur fürs Drehmoment wohl die wenigsten für einen Diesel entscheiden (zumal das auch bei den aktuell üblichen Downsizing-Turbomotoren nicht ganz schlecht ist).
— Wurde berücksichtigt, daß man bei den Verbrennern typischerweise recht massive Rabatte auf den Listenpreis bekommen kann?
Diesel statt Benziner: Damit wir nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, haben wir in unserem Vergleich denjenigen Verbrenner-Typ herangezogen, der aufgrund seiner Eigenschaften einem Stromer am nächsten kommt. Und das ist eindeutig der Diesel mit seiner günstigeren Drehmomentkurve (wobei vom dynamikbedingten Fahrspaß her eigentlich nur ca. doppelt so teure Sportwagen mit Stromern konkurrieren können), seinen höheren Anschaffungs- und geringeren Antriebskosten. Für einen vergleichbaren Benziner hatte ich die Kosten aber auch einmal überschlagen und war unterm Strich zu ähnlichen Kosten gekommen wie bei einem Diesel. Aus diesem Grund und der Übersichtlichkeit halber habe ich von der Aufnahme von Benzinfahrzeugen in den Vergleich abgesehen.
Zur Abweichung des tatsächlichen Kaufpreises vom Listenpreis: Wir haben einen entsprechenden Hinweis in den Text eingefügt. Grundsätzlich handelt es sich in unserem Artikel ja nur um Beispielrechnungen, die veranschaulichen, in welchem Maße die höheren Anschaffungskosten von Stromern durch die geringeren Betriebskosten aufgewogen werden können, und die dem Leser eigene Preisanalysen erleichtern sollen, denn wir können ja nicht jedem Leser bei den Kaufpreisverhandlungen über die Schulter gucken. Hohe Rabatte auf den Listenpreis gibt es aber keineswegs nur bei Verbrennern, sondern durchaus auch bei Stromern, wie dieses Beispiel in Bezug auf den Nissan Leaf belegt.
am Ende zählt doch der Preis, den man bei Händler zahlt und die Rabtte bei Verbrennern liegen selbst bei Audi, BMW und Co nicht selten bei 20%, bei PSA, Opel usw. oft noch deutlich höher.
Dass muss berücksichtigt werden. Nach 2–3 Jahren liegen die Preise dann nicht selten 50% unter Liste und dem Auto winken noch gut 15 Jahre Nutzungsdauer. Schauen Sie sich die Restwerte beim Leaf an nach 5 Jahren, dann sehen Sie, das Elektroautofahren ein teurer Spass ist.
Dann frage ich mich immer, wo sollen die Stadtbewohner nur laden? Mieter und ETW Besitzer haben kaum Lademöglichkeiten zu Hause. Wenn ich da an Hamburg denke, das ist doch völlig unrealistisch. Fazit: teurere Mobilität mit geringerem Nutzen.
Abgesehen davon, dass auch die Ökobilanz eines E Autos nicht besser ist als die eines Verbrenners, ist die Ecobilanz der E Autos meist erheblich schlechter. Den schlichten Vgl. E Golf vs Verbrenner Golf wird ihr Pendler mit 15 TKM p.a. wohl eher gegen einen 1,0 Tsi mit 115 PS anstellen. Der fährt in der Praxis mit 5 L/100 KM und hat durch seine niedrigen CO2 Werte auch kaum Steuern. Kostet im lfd Betrieb also nicht mehr, in der Anschaffung aber 16000 EUR weniger als das E Modell. Und vor allem, man kann damit auch mal schneller als 150 fahren. Und bei 1000 KM Reichweite auch mal in den Urlaub. In der Praxis fallen E Modelle einfach völlig hinten runter.